Margaret Mitchell
der Stadt blieb
man hinter geschlossenen Türen und verriegelten Läden zu Hause, und die Männer
scheuten sich, ihren Geschäften nachzugehen und Frau und Kinder schutzlos
daheim zu lassen. Erschöpft lag Scarlett im Bett und dankte Gott, daß Ashley zu
vernünftig und Frank zu alt und zaghaft war, dem Klan anzugehören.
Fürchterlich, wenn man in jeder Minute darauf gefaßt sein müßte, daß die
Yankees über einen der beiden herfielen und ihn festnähmen! Es stand gerade
schlimm genug für alle. Warum mußten die jungen Tollköpfe im Klan die Yankees
so reizen. Wahrscheinlich war dem Mädchen in Wirklichkeit gar nichts geschehen.
Vielleicht hatte sie in ihrer Angst nur den Kopf verloren, und um ihretwillen
mußte nun eine ganze Anzahl von Männern ihr Leben lassen.
Den Leuten
war zumute, als brenne vor ihren Augen eine Zündschnur langsam ab, und jeden
Augenblick könne die Flamme beim Pulverfaß anlangen. Aber in dieser
nervenzerreißenden Atmosphäre kam Scarlett rasch wieder zu Kräften. Ihre
gesunde Natur, die ihr durch die schwere Zeit auf Tara geholfen hatte, kam ihr
auch jetzt zustatten. Vierzehn Tage nach Ella Lorenas Geburt saß sie im Bett
und wetterte über ihre Untätigkeit. Nach drei Wochen stand sie auf und
erklärte, jetzt nach den Mühlen sehen zu wollen.
Beide
lagen still, weil sowohl Hugh wie Ashley sich nicht getrauten, ihre Familien
tagsüber allein zu lassen.
Dann fiel
der Schlag.
In seinem
Vaterstolz faßte Frank sich ein Herz und verbot Scarlett, das Haus zu
verlassen, bis die Gefahr vorüber wäre. Sein Verbot hätte sie nicht
angefochten, aber er hatte auch ihr Pferd und ihren Wagen in einem Mietsstall
untergestellt und Weisung gegeben, daß sie nur ihm selbst ausgeliefert werden
dürften. Und, was noch schlimmer war, er und Mammy hatten, während sie im Bett
lag, geduldig das Haus abgesucht und ihre versteckten Geldvorräte ans
Tageslicht gebracht. Frank hatte sie bei der Bank auf seinen Namen hinterlegt,
und deshalb konnte sie sich jetzt nicht einmal ein Gefährt mieten.
Scarlett
wütete gegen Frank und gegen Mammy, dann verlegte sie sich aufs Bitten, und
schließlich weinte sie einen ganzen Morgen wie ein eigensinniges Kind, das
seinen Willen nicht bekommt. Aber was sie auch anstellen mochte, das einzige,
was sie zu hören bekam, war: »Still, still, Liebling, du bist noch ein krankes
kleines Mädchen!« oder »Miß Scarlett, wenn du nicht gleich ruhig bist, wird dir
die Milch sauer und das Baby kriegt Kolik, so sicher, wie eine Kanone aus Eisen
ist.«
In ihrer
Wut stürzte Scarlett durch den Hintergarten zu Melanie und schüttete ihr das
Herz aus. Sie werde zu Fuß nach den Mühlen gehen, sie werde jedermann erzählen,
was für ein Ungeziefer sie geheiratet habe, sie lasse sich nicht wie ein
ungezogenes kleines Kind behandeln. Sie werde eine Pistole mitnehmen und jeden
niederschießen, der sie bedrohe. Einen habe sie schon erschossen, und mit
Wonne, jawohl mit Wonne schieße sie auch einen zweiten nieder. Sie werde ...
Melanie,
die sich kaum vor ihre eigene Tür wagte, erschrak gewaltig. »Ach, um Himmels
willen, sei nicht so leichtsinnig! Wenn dir etwas zustößt, dann sterbe ich!«
»Ich will
aber! Ich will! Ich gehe zu Fuß ... «
Melanie
sah sie an. Das war nicht der Nervenanfall einer Frau, die die Schwächen des
Wochenbettes noch nicht überwunden hatte. In Scarletts Gesicht prägte sich
dieselbe halsbrecherische und rücksichtslose Entschlossenheit aus, die Melanie
oft in Gerald O'Haras Zügen wahrgenommen hatte, wenn er mit dem Kopf durch die
Wand wollte. Sie legte die Arme um Scarlett und drückte sie fest an sich.
»Es ist
alles meine Schuld, weil ich nicht so tapfer bin wie du und Ashley die ganze
Zeit bei mir zu Hause behalte, wenn er in die Mühle muß. Ach, was bin ich für
ein Hasenfuß! Liebling, ich will Ashley sagen, daß ich nicht die leiseste Angst
habe, und will zu Tante Pitty gehen und bei euch bleiben, dann kann er wieder
an die Arbeit gehen ... «
Nicht
einmal sich selbst mochte Scarlett eingestehen, daß sie Ashley eigentlich für
unfähig hielt, mit den Schwierigkeiten fertig zu werden. Sie fuhr Melanie an:
»Was in aller Welt soll Ashley in der Mühle ausrichten, wenn er deinetwegen
keine Minute Ruhe hat. Alle sind sie ja so scheußlich mit mir! Nicht einmal
Onkel Peter will mit mir fahren. Aber ich kehre mich nicht daran, ich gehe
allein, jeden Schritt Weges gehe ich zu Fuß und treibe schon irgendwo ein paar
Schwarze zum Arbeiten auf!«
»Nein,
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