Margaret Mitchell
nett miteinander sein, ehe ich von etwas
Unangenehmem anfangen muß.«
»Oje«,
dachte sie, »nun fängt er von Ashley an«, und rasch lächelte sie und zeigte
ihre Grübchen. »Wo sind Sie sonst noch gewesen, Rhett? Doch nicht die ganze
Zeit in New Orleans?«
»Nein, den
letzten Monat war ich in Charleston. Mein Vater ist gestorben.«
»Ach, das
tut mir leid.«
»Nicht
nötig. Ihm hat es sicher nicht leid getan, aus dem Leben zu gehen, und mir tut
es nicht leid, daß er tot ist.«
»Aber
Rhett, sagen Sie nicht so Schreckliches!«
»Viel
schrecklicher wäre es, ich heuchelte ein trauriges Gesicht, wo ich doch nicht
traurig bin, meinen Sie nicht auch? Wir haben einander nie liebgehabt, und ich
entsinne mich keiner Zeit, da der alte Herr nicht erzürnt über mich gewesen
wäre. Ich glich seinem Vater zu sehr, den er nicht leiden konnte. Als ich
heranwuchs, wuchs seine Abneigung, und ich gebe zu, ich habe nicht viel getan,
um dem abzuhelfen. Alles, was ich nach dem Wunsch meines Vaters sein und tun
sollte, langweilte mich zu Tode, und schließlich setzte er mich ohne einen Cent
vor die Tür, ohne andere Kenntnisse als die eines Charlestoner Gentleman: die
eines guten Pistolenschützen und eines ausgezeichneten Pokerspielers. Er faßte
es anscheinend als eine persönliche Beleidigung auf, daß ich dann nicht
verhungert, sondern mit großem Gewinn Poker spielte, und als ich zum erstenmal
wieder nach Hause kam, verbot er meiner Mutter, mich zu sehen. Und während des
ganzen Krieges, als ich vor Charleston durch die Blockade fuhr, konnte meine
Mutter mich nur heimlich treffen. Das hat natürlich meine Liebe zu ihm nicht
vergrößert.«
»Ach, das
wußte ich ja alles gar nicht.«
»Er war,
was man einen vornehmen alten Herrn nach der alten Schule nennt. Das heißt, er
war unwissend, dickköpfig, unduldsam und unfähig, irgend etwas anderes zu
denken, als die anderen alten Herren der alten Schule auch dachten. Jedermann
bewunderte ihn ungemein dafür, daß er nichts mehr von mir wissen wollte und
mich zu den Toten zählte. >So dich dein rechtes Auge ärgert, reiße es
aus.< Ich war sein rechtes Auge und sein ältester Sohn, und er riß mich aus,
daß es eine Art hatte.«
Er
lächelte ein wenig, als belustige ihn die Erinnerung.
»Das alles
hätte ich ihm verziehen, aber was er meiner Mutter und meiner Schwester nach
dem Kriege angetan hat, das kann ich nicht verzeihen. Sie waren so gut wie
mittellos. Das Haus auf der Plantage war niedergebrannt, aus den Reisfeldern
war wieder Sumpfland geworden. Das Stadthaus ging für die Steuern weg. Sie
haben in zwei Zimmern gehaust, die man keinem Neger zumuten möchte. Ich habe
meiner Mutter Geld geschickt, aber mein Vater schickte es mir zurück -
schmutziges Geld -, verstehst du? Und mehrmals bin ich nach Charleston gefahren
und habe meiner Schwester heimlich Geld zugesteckt. Aber der Alte kam jedesmal
dahinter, und es setzte einen Tanz, bis dem armen Kind das Leben nicht mehr
lebenswert schien. Und immer bekam ich das Geld zurück. Wie sie sich
durchgeschlagen haben, weiß ich nicht ... Doch, ich weiß es. Mein Bruder hat
gegeben, was er konnte, obwohl er nicht viel zu geben hat und auch nichts von
mir annehmen will. - Spekulantengeld bringt kein Glück, verstehst du! - Und von
der Mildtätigkeit der Freunde ... Ihre Tante Eulalie ist sehr gut gegen sie
gewesen. Sie war eine von Mutters besten Freundinnen. Sie hat ihnen etwas
anzuziehen geschenkt und ... du lieber Gott, meine Mutter, die von
Wohltätigkeit lebt!«
Es war
eins der wenigen Male, da sie ihn ohne Maske sah, und sein Gesicht war hart vor
ehrlichem Haß gegen seinen Vater und bitterem Kummer wegen seiner Mutter.
»Tante
Lalie! Lieber Himmel, Rhett, die hat ja doch selbst kaum mehr, als was ich ihr
schicke.«
»Aha,
daher also! Wie taktlos von Ihnen, meine Liebe, angesichts meiner Demütigung
damit zu prahlen! Erlauben Sie, daß ich es Ihnen erstatte?«
»Mit
Vergnügen!« Scarletts Mund verzog sich plötzlich zu einem Lächeln, und er
erwiderte es.
»Nein,
Scarlett, wie dir bei dem Gedanken an einen Dollar die Augen funkeln! Bist du
ganz sicher, daß du außer deinem irischen nicht auch noch schottisches oder gar
jüdisches Blut in den Adern hast?«
»Seien Sie
nicht so gehässig! Ich wollte Ihnen das mit Tante Lalies Geld nicht unter die
Nase reiben, aber ehrlich gesagt, sie meint, ich schwimme im Geld. Sie verlangt
immer mehr, und ich habe weiß Gott genug auf dem Hals und kann nicht noch ganz
Charleston
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