Margaret Mitchell
erzählt, daß Sie eine
Belegschaft gemietet und den kleinen Halunken Gallegher damit betraut haben,
sie zu Tode zu schinden.«
»Das ist
gelogen«, sagte sie zornig. »Er schindet sie nicht, dafür passe ich auf.«
»So?«
»Selbstverständlich,
wie können Sie so etwas von mir denken.«
»Bitte
tausendmal um Verzeihung, Mrs. Kennedy. Ihre Motive sind ja immer über jeden
Vorwurf erhaben. Jedenfalls ist Johnnie Gallegher ein so eiskalter
Leuteschinder, wie ich nur einen kenne. Sehen Sie ihm gut auf die Finger, sonst
haben Sie Unannehmlichkeiten mit dem Inspektor, wenn er vorbeikommt.«
»Kümmern
Sie sich um Ihre Sachen, und ich kümmere mich um meine«, sagte sie entrüstet.
»Ich will kein Wort mehr über Sträflinge hören. Alle benehmen sich scheußlich
deswegen gegen mich. Meine Arbeiter sind meine Sache. Außerdem haben Sie mir
noch nicht erzählt, was Sie in New Orleans machen. Sie fahren so oft dahin, und
jeder sagt ...« Sie schwieg. So weit hatte sie nicht gehen wollen.
»Was sagt
jeder?«
»Daß Sie
dort eine Geliebte haben und daß Sie heiraten wollen. Ist das wahr?«
So lange schon
hätte sie das gern gewußt, daß sie sich nicht enthalten konnte, ihn rundheraus
danach zu fragen. Ein ganz feiner Eifersuchtsstich traf sie bei dem Gedanken,
daß Rhett heiraten könnte, warum, konnte sie sich nicht einmal erklären.
Seine
liebenswürdigen Augen wurden plötzlich aufmerksam. Er hielt ihren Blick fest,
bis sie ein klein wenig errötete. »Würde Ihnen das etwas ausmachen?«
»Es täte
mir freilich leid, Ihre Freundschaft zu verlieren«, sagte sie höflich und um
möglichst unbeteiligt auszusehen, beugte sie sich über Ella Lorena und zog ihr
die Decke dichter um den Kopf.
Er lachte
kurz auf und sagte: »Sieh mich an, Scarlett.«
Widerstrebend
blickte sie auf und wurde noch roter.
»Sie
können Ihren neugierigen Freundinnen erzählen, wenn ich je heiraten sollte, so
geschähe es, weil ich die Frau, die ich haben will, auf andere Weise nicht
bekommen kann. Und so sehr ist es mir noch nie um eine Frau zu tun gewesen, daß
ich sie wirklich heiraten müßte.«
Jetzt war
sie ernstlich verwirrt und verlegen, denn sie gedachte des Abends auf eben
dieser Veranda, damals während der Belagerung der Stadt, da er gesagt hatte:
»Heiraten liegt mir nicht«, und ihr ganz obenhin vorgeschlagen hatte, seine
Geliebte zu werden. Sie gedachte auch der schrecklichen Stunde im Gefängnis und
schämte sich noch in der Erinnerung. Langsam ging ein boshaftes Lächeln über
sein Gesicht, als er in ihren Augen las.
»Aber ich
will Ihre unfeine Neugierde befriedigen, da Sie mir so schonungslose Fragen
stellen. Mich zieht keine Geliebte nach New Orleans, sondern ein Kind, ein
kleiner Junge.«
»Ein
kleiner Junge!« Vor Schreck über diese unerwartete Auskunft erholte sie sich
augenblicklich von ihrer Verwirrung.
»Ja, ich
bin sein gesetzlicher Vormund und trage die Verantwortung für ihn. Er ist in
New Orleans auf der Schule, und dort besuche ich ihn oft.«
»Und
bringen ihm etwas mit?« Deshalb also, dachte sie, weiß er immer, mit was für
Geschenken er Wade eine Freude machen kann.
»Ja«,
sagte er kurz und widerwillig.
»Ist er
hübsch?«
»Hübscher,
als für ihn gut ist.«
»Ein
netter kleiner Junge?«
»Nein. Ein
richtiger Schlingel. Ich wollte, er wäre nie geboren. Jungen machen einem viel
Sorge. Wollen Sie sonst noch etwas wissen?«
Plötzlich
sah er ärgerlich und düster aus, als reue es ihn schon, überhaupt davon
gesprochen zu haben.
»Wenn Sie
mir nicht mehr erzählen wollen, nein«, erwiderte sie von oben herab, obwohl sie
vor Neugier brannte. »Aber als Vormund kann ich Sie mir ganz und gar nicht
vorstellen.« Sie lachte und hoffte, ihn damit aus der Fassung zu bringen.
»Nein, das
kann ich mir denken. Ihr Vorstellungsvermögen ist überhaupt ziemlich
beschränkt.«
Er sagte
nichts mehr und rauchte eine Zeitlang schweigend seine Zigarre. Sie suchte nach
einem groben Klotz auf diesen groben Keil, konnte aber keinen finden.
»Es wäre
mir lieb, wenn Sie niemandem etwas davon sagen würden«, sagte er endlich.
»Obwohl ich befürchte, das ist von einer Frau zuviel verlangt.«
»Ich kann
schweigen«, sagte sie gekränkt.
»So? Ich
freue mich immer, unerwartete Eigenschaften an meinen Freunden zu entdecken.
Nun seien Sie wieder gut, Scarlett. Entschuldigen Sie, daß ich grob war, aber
Sie hatten es für Ihre Neugierde verdient. Schenken Sie mir ein Lächeln und
lassen Sie uns ein paar Minuten
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