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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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dürre rote Blätter an den Eichen,
und das welke Gras hatte immer noch einen gelbgrünen Schimmer. Scarlett trat
mit der Kleinen auf dem Arm vor die Seitentür und setzte sich in ein sonniges
Eckchen auf einen Schaukelstuhl. Sie trug ein neues grünes Kleid aus feinem
Stoff mit endlosen Metern schwarzer Zickzacklitze und eine neue Spitzenhaube,
die Tante Pitty ihr für den Hausgebrauch genäht hatte. Beides stand ihr
ausgezeichnet, und sie wußte es und hatte viel Freude daran. Es tat so gut,
wieder hübsch zu sein, nachdem man monatelang so abschreckend ausgesehen hatte.
    Als sie
sich so, mit der Kleinen auf dem Schoß, im Stuhl wiegte und vor sich hin
summte, hörte sie Hufschlag die Straße heraufkommen, spähte neugierig durch das
Gewirr der kahlen Weinranken und erkannte Rhett Butler, der auf das Haus
zugeritten kam.
    Seit
Monaten war er nicht mehr in Atlanta gewesen. Kurz nach Geralds Tod und lange
vor Ella Lorenas Geburt hatte er sich zuletzt sehen lassen. Sie hatte ihn
manchmal vermißt, aber jetzt hätte sie ihn von Herzen gern gemieden, ja bei dem
Anblick seines dunklen Gesichts erschrak sie voller Schuldbewußtsein. Eine
Sache, die Ashley betraf, beschwerte ihr Gewissen, und sie wollte durchaus
nicht mit Rhett darüber sprechen und wußte doch, daß er sie dazu zwingen würde,
mochte sie sich auch noch so dagegen wehren.
    Er hielt
an der Pforte und schwang sich leicht aus dem Sattel, und als sie ihm beklommen
zusah, fand sie, er gleiche einer Figur in Wades Bilderbuch. »Ihm fehlen nur
die Ohrringe und das Messer zwischen den Zähnen«, dachte sie. »Nun, ob er ein
Seeräuber ist oder nicht, er soll mir heute nicht den Hals abschneiden.«
    Als er den
Weg heraufkam, holte sie ihr reizendstes Lächeln hervor und rief ihm einen Gruß
entgegen. Ein Glück, daß sie das neue Kleid und die hübsche Haube trug und so
gut aussah! Als seine Augen über sie hinglitten, merkte sie, daß auch er sie
hübsch fand.
    »Ein
Neugeborenes! Aber Scarlett, welche Überraschung!« lachte er und neigte sich
nieder, um von Ella Lorenas häßlichem Gesichtchen die Decke wegzuziehen.
    »Seien Sie
kein Narr«, entgegnete sie errötend. »Wie geht es? Sie sind lange fortgewesen.«
    »Das bin
ich. Geben Sie mir das Baby, Scarlett. Oh, ich weiß, wie man Babys anfaßt. Ich
habe viele seltsame Talente. Der sieht Frank aber ähnlich, bloß der Vollbart
fehlt noch.«
    »Der
bleibt hoffentlich weg. Es ist ein Mädchen.«
    »Ein
Mädchen? Noch besser. Jungens sind eine Plage. Bekommen Sie nur nicht noch
einen Jungen, Scarlett.«
    Sie wollte
gerade abweisend erwidern, sie wünsche überhaupt keine Kinder mehr zu haben,
weder Jungen noch Mädchen, aber sie besann sich rechtzeitig und lächelte,
während sie nach einem Gesprächsstoff suchte, mit dem sie den bösen Augenblick,
den sie fürchtete, hinauszögern könnte.
    »Haben Sie
eine schöne Reise gehabt, Rhett? Wohin ist es denn dieses Mal gegangen?«
    »Nach
Kuba, nach New Orleans und anderen Orten. Hier, Scarlett, nehmen Sie Ihr
Kleines zurück. Sie fängt an zu sabbern, und ich kann nicht an mein
Taschentuch. Es ist gewiß ein schönes Kind, aber meine Hemdbrust wird naß.«
    Sie nahm
das Kind wieder auf ihren Schoß, und Rhett machte es sich auf dem Geländer
bequem und zog eine Zigarette aus seinem silbernen Etui.
    »Immer
gehen Sie nach New Orleans«, sagte sie und zog ein Gesicht dazu, »und nie
wollen Sie mir erzählen, was Sie da zu tun haben.«
    »Ich bin
ein schwer arbeitender Mann, Scarlett, und werde wohl in Geschäften dort sein
... «
    »Sie und
schwer arbeiten!« Sie lachte. »Sie haben Ihr Lebtag nicht gearbeitet, dazu sind
Sie viel zu faul. Sie können ja nichts als die Schieber bei ihren Gaunereien
finanzieren und dafür den halben Gewinn einstecken und die Yankeebeamten
bestechen, um uns Steuerzahler mit ausrauben zu dürfen.«
    Er warf
den Kopf zurück und lachte.
    »Aber Sie
würden für Ihr Leben gern so viel Geld haben, daß Sie auch Beamte bestechen
könnten.«
    »Schon der
Gedanke...« Sie setzte sich in Positur.
    »Aber
vielleicht verdienen Sie ja auch Geld genug, um eines Tages im großen Stil mit
Bestechungen zu arbeiten. Vielleicht machen Ihre Sträflinge Sie noch reich.«
    Sie war
betroffen. »Woher wissen Sie denn das jetzt schon wieder?«
    »Ich bin
gestern abend angekommen und in das >Mädchen von heute< gegangen. Da
erfährt man alle Neuigkeiten der Stadt. Es ist eine richtige Klatschbörse, noch
besser als ein Damen-Nähzirkel. Alle haben sie mir

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