Margaret Mitchell
Unterstützung ausgegeben worden. Sie haben überhaupt keine Ehre im
Leib, und hätten Sie das Darlehen nicht zurückgezahlt, ich forderte es jetzt
zurück und brächte, falls Sie nicht zahlen könnten, Ihr Hab und Gut öffentlich
unter den Hammer.«
Er sagte
das leichthin, aber seine Augen flackerten vor Zorn.
Eilig trug
Scarlett den Angriff ins feindliche Lager. »Warum hassen Sie Ashley eigentlich?
Sind Sie eifersüchtig auf ihn?«
Kaum hatte
sie das gesagt, so hätte sie sich die Zunge abbeißen mögen. Er warf den Kopf
zurück und lachte, bis sie rot vor Scham wurde.
»Auch noch
eingebildet bei so viel Ehrlosigkeit!« rief er. »Wollen Sie denn Ihr Leben lang
die Gesellschaftskönigin der Provinz bleiben, wie? Sie glauben, Sie seien immer
noch der kleine Racker, nach dem sich jeder Mann vor Liebe verzehrt?«
»Ich denke
nicht daran«, erhitzte sie sich. »Aber ich kann nun einmal nicht einsehen,
warum Sie Ashley so hassen, und nur so kann ich es mir erklären.«
»Denk dir
lieber etwas anderes aus, schöne Zauberin, denn diese Erklärung stimmt nicht.
Ich Ashley hassen? Ich hasse ihn nicht, und ich liebe ihn nicht. Für ihn und
seinesgleichen habe ich nur Mitleid.«
»Mitleid?«
»Ja, und
ein wenig Verachtung. Ach, plustern Sie sich nur auf wie ein Truthahn und sagen
Sie mir, er wiege tausend Schurken wie mich auf und ich solle mich nicht
unterstehen, ihn zu verachten. Wenn Sie sich wieder beruhigt haben, will ich
Ihnen sagen, was ich meine, falls es Sie interessiert.«
»Das tut
es aber nicht.«
»Trotzdem
will ich es Ihnen sagen. Daß Sie sich weiter in dem schönen Wahn wiegen, ich
sei eifersüchtig, ist mir unerträglich. Ashley tut mir leid, weil er eigentlich
schon tot sein sollte und doch noch lebt, und ich verachte ihn, weil er nicht
weiß, was er mit sich anfangen soll, seitdem seine Welt dahin ist.«
Dieser
Gedanke kam ihr bekannt vor. Ihr war, als hätte sie ähnliches schon gehört,
aber wann und wo, darauf konnte sie sich nicht besinnen. Sie kam auch nicht
dazu, richtig darüber nachzudenken, denn sie war allzu böse auf Rhett »Wenn es
nach Ihnen ginge, wären überhaupt alle anständigen Leute im Süden tot.«
»Und wenn
es nach ihnen selbst ginge, so wären alle diese Ashleys auch lieber tot mit
einem ordentlichen Grabstein über sich, auf dem zu lesen stünde >Hier ruht
ein Soldat der konföderierten Armee, der für das Südland fiel< oder
>Dulce et decorum est< oder sonst eine der beliebten Grabinschriften.«
»Ich sehe
nicht ein, wieso.«
»Sie sehen
nie etwas ein, was nicht in fußhohen Buchstaben geschrieben steht und Ihnen
unter die Nase gehalten wird. Für viele Leute würde der Tod nur bedeuten, daß
sie ihre Sorgen los wären, daß keine unlösbaren Probleme mehr vor ihnen
stünden. Außerdem würden ihre Nachkommen durch viele Generationen stolz auf sie
sein. Auch sagt man, die Toten seien glücklich. Halten Sie Ashley Wilkes für
glücklich?«
Sie
entsann sich des Ausdrucks, den sie in Ashleys Augen gesehen hatte, und
schwieg.
»Ist er
glücklich oder ist es Hugh Elsing oder Dr. Meade? Glücklicher, als Ihr oder
mein Vater es war?«
»Nein,
vielleicht nicht so glücklich, wie sie sein könnten, weil sie all ihr Geld
verloren haben.«
Er lachte.
»Weil sie
ihr Geld verloren haben? Nein, mein Kind. Ich sage Ihnen ja, sie haben ihre
Welt verloren. Sie sind wie Fische auf dem Trocknen. Sie sind dazu erzogen
worden, eine bestimmte Person zu sein, bestimmte Dinge zu tun und eine
bestimmte Stellung auszufüllen. Aber diese Personen, Dinge und Stellungen sind
ein für allemal verschwunden, seit dem Tage, da General Lee in Appomattox
eintraf. Scarlett, mach nicht solch dummes Gesicht! Was soll den Ashley Wilkes
anfangen, seitdem sein Haus nicht mehr steht, seine Plantage für Steuern
draufgegangen ist und zwanzig Gentlemen für einen Cent zu haben sind? Kann er
mit seinem Kopf und seinen Händen arbeiten? Ich wette, Sie haben reißend Geld
verloren, seitdem er die Mühle übernommen hat.«
»Das habe
ich nicht.«
»Vortrefflich.
Darf ich einmal an einem Sonntagabend, wenn Sie Zeit haben, Ihre Bücher
durchsehen?«
»Zum
Teufel können Sie gehen, und nicht erst, wenn Sie Zeit haben, sondern
meinethalben augenblicklich.«
»Herzliebchen,
beim Teufel war ich schon. Das ist ein sehr stumpfsinniger Geselle. Dahin
möchte ich nicht noch einmal, nicht einmal für Sie ... Sie haben Geld von mir
angenommen, als Sie es dringend brauchten, und haben damit gearbeitet. Wir
hatten ein
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