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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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flehentliche Bitten und das
Versprechen, später wieder freigelassene Schwarze anzustellen, sobald die Zeit
besser würde, konnten ihn umstimmen. Die Nachbarn machten aus ihrer
Mißbilligung so wenig Hehl, daß es Frank, Pitty und Melanie schwer wurde, ihnen
überhaupt noch ins Gesicht zu sehen. Sogar Peter und Mammy erklärten,
Sträflinge anzustellen bringe kein Glück, und jeder hielt es für unrecht, das
Unglück anderer auf solche Weise auszunutzen.
    »Aber ihr
hattet doch nichts dagegen, Sklaven für euch arbeiten zu lassen«, sagte
Scarlett empört.
    Aber das
war etwas anderes. Die Sklaven waren nicht unglücklich. Den Negern war es in
der Sklaverei viel besser ergangen als jetzt in der Freiheit. Wie gewöhnlich
bestärkte der allgemeine Widerstand Scarlett nur in ihrem Vorhaben. Sie
entfernte Hugh aus seiner leitenden Stellung, gab ihm einen Holzwagen zu fahren
und schloß endgültig mit Johnnie Gallegher ab.
    Er war
anscheinend der einzige, der mit ihren Sträflingen einverstanden war. Er nickte
kurz mit seinem runden Schädel und sagte, das sei gescheit von ihr. Scarlett
sah sich den kleinen ehemaligen Jockei an, wie er da auf seinen kurzen
Säbelbeinen mit dem harten geschäftsmäßigen Ausdruck in seinem Gnomengesicht
vor ihr aufgepflanzt stand, und dachte: »Wer den hat reiten lassen, dem lag an
seinem Pferd nicht viel. Ich ließe ihn an meine Pferde nicht auf zehn Schritt
heran.«
    Aber ihm
eine Belegschaft von Sträflingen anzuvertrauen, trug sie keine Bedenken.
    »Sie geben
mir also freie Hand mit der Belegschaft?« fragte er, und seine grauen Augen
waren kalt wie grauer Achat.
    »Völlig
freie Hand. Alles, was ich von Ihnen verlange, ist, daß Sie die Mühle in Gang
halten und mir alle bestellten Quantitäten Holz rechtzeitig liefern.«
    »Soll
besorgt werden«, sagte Johnnie kurz. »Ich kündige Mr. Wellburn.« Als er sich im
Gedränge der Maurer, Zimmerleute und Steinträger verlor, fühlte Scarlett sich
wieder erleichtert und besserer Stimmung. Johnnie war für sie der Rechte, zäh
und hart und ohne Gefühlsduselei. Der irische Gauner, wie er im Buche steht,
hatte Frank verächtlich von ihm gesagt, aber gerade deshalb schätzte ihn
Scarlett. Ein Ire, der entschlossen war, etwas zu erreichen, war bei der Arbeit
viel wert. Sie fühlte sich ihm näher verwandt als manchem ihres eigenen
Standes, denn Johnnie kannte den Wert des Geldes.
    Schon die
erste Woche seiner Geschäftsleitung rechtfertigte alle ihre Hoffnungen. Er leistete
mit fünf Sträflingen mehr, als Hugh mit seinen zehn freien Negern je
fertiggebracht hatte. Außerdem hatte Scarlett jetzt mehr Muße als je seit ihrer
Rückkehr nach Atlanta, weil er sie nicht gern im Betrieb sah und ihr das auch
freimütig sagte.
    »Sie kümmern
sich um Ihren Verkauf, und ich kümmere mich um meine Sägerei«, sagte er kurz.
»Ein Sträflingslager ist kein Aufenthalt für eine Dame, und wenn es Ihnen sonst
niemand sagt, so sagt Johnnie Gallegher es Ihnen jetzt. Ich liefere Ihnen das
Holz und damit basta. Mir paßt es nicht, daß Sie täglich hinter mir stehen wie
hinter Mr. Wilkes. Er hat es nötig, ich nicht.«
    Scarlett
blieb also, wenn auch ungern, Johnnies Mühle fern, aus Angst, er könnte wieder
kündigen. Seine Bemerkung, Ashley habe einen Aufpasser nötig, gab ihr einen
Stich ins Herz, weil mehr Wahrheit darin lag, als sie sich eingestehen mochte.
Ashley kam mit seinen Sträflingen nicht viel weiter als mit freien Arbeitern -
warum, wußte er freilich nicht anzugeben. Außerdem machte er ein Gesicht, als
schämte er sich, Sträflinge als Arbeiter zu beschäftigen, und war gegen
Scarlett dieser Tage ziemlich wortkarg.
    Scarlett
sah mit Sorge, wie er sich veränderte. In seinem blonden Haar zeigte sich das
erste Grau, und müde ließ er die Schultern hängen. Selten nur glitt ein Lächeln
über sein Gesicht. Er war nicht mehr der freundliche Ashley, der es ihr vor
Jahren angetan hatte. Er sah aus, als nage ein geheimer, kaum zu ertragender
Kummer an seinem Herzen, sein Mund war so fest geschlossen, so freudlos, daß es
sie bestürzte und schmerzte. Sie sehnte sich danach, mit Gewalt seinen Kopf an
ihre Schulter zu ziehen, das ergrauende Haar zu streicheln und ihn zu bitten:
»Sag mir, was dich bedrückt, ich helfe dir, und es wird alles wieder gut!«
    Aber sein
förmliches, abweisendes Wesen machte ihn unnahbar.
     
    43
     
    Es war
einer der seltenen Dezembertage, wo die Sonne fast so warm wie im Spätsommer
schien. In Tante Pittys Garten hingen noch

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