Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
die
Gesetzgebende Versammlung sich geweigert hatte, die Verfassungsänderung zu
ratifizieren. Der wütende Norden hatte die glatte Ablehnung als eine Ohrfeige
empfunden, und die Vergeltung hatte nicht auf sich warten lassen. Der Norden
war entschlossen, dem Staat das Stimmrecht der Neger aufzuzwingen, und zu
diesem Zweck war Georgia als Aufruhrgebiet erklärt und dem schärfsten
Kriegsrecht unterstellt worden. Ja, Georgias Dasein als Staat hatte aufgehört,
Georgia bildete jetzt zusammen mit Florida und Alabama den »Militärbezirk Nr.
3« unter dem Oberbefehl eines Bundesgenerals.
    War das
Leben schon vorher unsicher und gefährlich gewesen, so war es jetzt doppelt
schlimm. Die vorjährigen Verfügungen der Militärbehörden, die man schon als
überaus scharf empfunden hatte, waren milde im Vergleich zu denen, die General
Pope jetzt erließ. Mit der Aussicht auf die Negerherrschaft war die Zukunft
dunkel und hoffnungslos, und der verbitterte Staat quälte und wand sich hilflos.
Den Negern stieg ihre unerwartete Wichtigkeit zu Kopf, sie waren sich des
Rückhaltes, den sie an der Yankeearmee hatten, bewußt, und ihre Schandtaten
nahmen zu. Niemand war vor ihnen sicher.
    In diesen
wilden Zeiten stand Scarlett schwere Angst aus, aber sie ließ sich nicht
beirren. Immer noch fuhr sie allein auf ihre Geschäftswege, Franks Pistole stak
in der Polsterung des Einspänners. Im stillen verwünschte sie das Parlament,
das dieses neue Unheil über sie alle gebracht hatte. Welchen Segen hatte diese
tapfere, edle Standhaftigkeit denn nun gestiftet? Alles war nur noch schlimmer
geworden.
    Als sie
sich dem Wege näherte, der durch die kahlen Bäume in die Flußniederung hinab
nach der Shantytown-Siedlung führte, schnalzte sie dem Pferd, um es
anzutreiben. Es war ihr nie recht geheuer, wenn sie an diesem schmutzigen
Gewimmel von Lehmhütten und alten Armeezelten vorüberfuhr. Von allen Orten in
und bei Atlanta hatte es den denkbar schlechtesten Ruf, denn hier hauste der
Auswurf der Neger, schwarze Frauenzimmer und weißes Gesindel schlimmster,
verkommenster Art. Es galt als Zufluchtsort für schwarze und weiße Verbrecher,
und hier pflegten die Behörden zuerst nach Leuten, die sie suchten, zu fahnden.
Schießereien und Messerstechereien waren hier an der Tagesordnung, so daß die
Behörden sich selten die Mühe machten, einzugreifen, und es gewöhnlich den
Leuten überließen, ihre dunklen Angelegenheiten untereinander abzumachen. In
den Wäldern dahinter lag eine Brennerei, die einen billigen Maiswhisky
herstellte, und zur Nachtzeit hallte es in den Hütten am Fluß von betrunkenem
Gegröle und Gefluche.
    Sogar die
Yankees gaben zu, daß es ein verpesteter Ort sei, der niedergelegt werden
müßte, aber sie unternahmen keine Schritte in der Richtung. Die Bewohner von
Atlanta und Decarur, die die Straße zwischen den beiden Städten benutzen
mußten, gaben ihrer Empörung laut Ausdruck. Die Männer lockerten ihre Pistolen
im Halfter, wenn sie durch Shantytown mußten, und keine anständige Frau ging
freiwillig dort vorbei, auch nicht unter dem Schutz ihres eigenen Mannes, weil
meistens betrunkene Negerweiber an der Straße saßen und den Vorübergehenden
unflätige Worte nachriefen.
    Solange
Archie neben ihr saß, hatte sich Scarlett keine Gedanken gemacht, an Shantytown
vorbeizufahren, weil auch das unverschämteste schwarze Frauenzimmer nicht
einmal zu lachen wagte, wenn sie entlangkam. Aber seitdem sie allein fahren
mußte, war es schon zu allerlei sehr unliebsamen Vorfällen gekommen. Die
Negerdirnen legten es offenbar darauf an, ihr Mütchen an ihr zu kühlen, wenn
sie vorüberfuhr. Sie konnte nichts tun als sie übersehen und innerlich rasen.
Sie konnte sich nicht einmal dadurch trösten, daß sie mit ihren Nachbarn und
Verwandten über die Vorfälle sprach, denn sie bekam lediglich ein
triumphierendes »Hast du vielleicht etwas anderes erwartet?« zu hören; ihre
Familie regte sich zudem schrecklich auf und versuchte, sie im Hause
festzuhalten. Sie aber hatte nicht die Absicht, ihre Fahrten aufzugeben.
    Gottlob
saßen heute keine zerlumpten Weiber am Straßenrand. Als sie an dem Weg
vorbeikam, der nach Shantytown hinabführte, sah sie angewidert da unten in den
schrägen Strahlen der Nachmittagssonne ein paar baufällige Hütten liegen. Es
wehte ein eisiger Wind, und die Düfte von Holzrauch, gebratenem Schweinefleisch
und ungesäuberten Abtritten schlug ihr in die Nase. Sie wandte sich rasch ab
und trieb das Pferd scharf

Weitere Kostenlose Bücher