Margaret Mitchell
auf den Kopf gestellt wurde.«
»Sie sind
doch selber arm gewesen! Ihr Vater hat Sie ohne einen Cent vor die Tür
gesetzt«, sagte Scarlett wütend. »Ich sollte denken, Sie müßten Ashley
verstehen und mit ihm fühlen.«
»Ich
verstehe ihn schon«, entgegnete Rhett, »aber wenn ich mit ihm fühle, soll mich
der Teufel holen. Nach der Kapitulation hatte Ashley viel mehr, als ich damals
hatte, als ich hinausgeworfen wurde. Wenigstens hatte er Freunde, die ihn
aufnahmen, und ich war ein Verstoßener. Aber was hat Ashley mit sich
angefangen?«
»Wenn Sie
ihn mit sich selbst vergleichen, Sie eingebildeter Tropf, nun, er ist nicht wie
Sie, gottlob! Er hat seine Hände nicht besudeln wollen wie Sie, durch Geschäfte
mit Schiebern, Gesinnungslumpen und Yankees. Er ist ein Mann von Ehre und
Gewissen.«
»Aber Ehre
und Gewissen haben ihn nicht daran gehindert, Geld und Hilfe von einer Frau
anzunehmen.«
»Was hätte
er sonst tun sollen?«
»Was geht
das mich an? Ich weiß nur, was ich getan habe und heute tue. Und ich weiß, was
andere fertiggebracht haben. Wir sahen in dem Untergang einer Kultur eine
Chance und machten daraus, soviel wir konnten. Einige auf redliche, andere auf
fragwürdige Weise, und wir machen noch heute das Beste daraus. Die Ashleys
dieser Welt haben immer die gleichen Möglichkeiten wie wir, aber sie greifen
nicht zu. Sie sind eben nicht tüchtig, und nur der Tüchtige ist wert, am Leben
zu bleiben.«
Sie hörte
kaum, was er sagte, denn deutlich kehrten ihr die Erinnerungen zurück. Sie
spürte wieder den kalten Wind, der durch den Obstgarten von Tara fegte, und sah
Ashleys graue Augen durch sie hindurchschauen. Was hatte er noch gesagt? Einen
sonderbar fremd klingenden Namen, und dann hatte er vom Ende der Welt
gesprochen. Damals hatte sie nicht verstanden, was er damit meinte, jetzt aber
dämmerte ihr die verworrene Erkenntnis, und zugleich befiel sie ein müder
Überdruß.
»Ach ja,
Ashley sagte ...«
»Was sagte
er?«
»Einmal
auf Tara sagte er etwas von einer ... einer Götterdämmerung und vom Ende der
Welt und noch mehr solchen Unsinn.«
»So, die
Götterdämmerung!« Rhetts Augen waren gespannt, »und was weiter?«
»Ich weiß
es nicht mehr genau. Ja, etwas von den Starken, die durchkommen, und den
Schwachen, die ausgeschieden werden wie die Spreu.«
»Gut, also
weiß er es. Das macht es noch schlimmer für ihn. Die meisten wissen es nicht
und werden es auch niemals begreifen. Sie wundern sich ihr Leben lang darüber,
daß der verlorene Zauber nicht wiederzufinden ist, und dulden einfach in
stolzem, untüchtigem Schweigen. Er aber begreift es und weiß, daß er zur Spreu
gehört.«
»O nein,
das tut er nicht, solange ich noch atme!«
Er sah sie
ruhig an, sein braunes Gesicht war ganz regungslos.
»Scarlett,
wie haben Sie es nun fertiggebracht, seine Einwilligung zu erlisten und ihm die
Mühle zu übertragen? War es ein hartes Stück Arbeit?«
Wie der
Blitz fiel ihr die Szene mit Ashley nach Geralds Begräbnis wieder ein, aber sie
schob die Erinnerung rasch von sich.
»Warum
denn?« erwiderte sie entrüstet. »Als ich ihm auseinandersetzte, daß ich seine
Hilfe brauchte, weil ich dem Pfuscher, der die Mühle bisher leitete, nicht
traute und Frank zuviel zu tun hatte und weil ich ... nun, weil ich Ella Lorena
erwartete, hat er mir gern zugesagt.«
»Wozu doch
eine Mutterschaft gut ist! Damit also haben Sie ihn herumgekriegt. Und jetzt
haben Sie den armen Teufel so weit, wie Sie ihn haben wollten, haben ihn durch
Verpflichtungen so gut gefesselt, wie nur einen Ihrer Sträflinge durch seine
Ketten. Ich wünsche euch beiden viel Vergnügen! Aber wie ich schon am Anfang dieser
Unterredung sagte - keinen Cent bekommen Sie von mir mehr für Ihre kleinen,
unfeinen Anschläge, Sie doppelzüngiges Geschöpf!«
Zorn und
Enttäuschung schnitten ihr ins Herz. Eine Zeitlang hatte sie geplant, noch
einmal Geld von Rhett zu leihen, um ein Grundstück in der Stadt zu kaufen und
dort ein Holzlager zu errichten.
»Ich
brauche Ihr Geld nicht«, fuhr sie los, »ich verdiene Geld wie Heu, seitdem
Johnnie Gallegher die Mühle führt und ich keine freigelassenen Neger mehr
beschäftige. Ich habe einiges Geld auf Hypotheken gegeben, und im Laden bringt
das Geschäft mit den Negern auch eine Menge ein.«
»Ja, das
habe ich gehört. Wie gescheit von Ihnen, die Hilflosen und die Unwissenden, die
Witwen und Waisen zu bestehlen! Wenn Sie durchaus stehlen müssen, Scarlett,
warum nicht von den Reichen und
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