Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
sagen konnte oder wollte, wo er gewesen war, wurde abgeführt. Rene Picard
und einer von Mrs. Merriwethers Neffen, die Simmonsschen Jungen und Andy
Bonneil waren unter denen, die die Nacht im Gefängnis verbringen mußten. Sie
hatten an dem unglückseligen Streifzug teilgenommen, aber ihre Gefährten nach
der Schießerei verloren, und auf dem raschen Ritt nach Hause wurden sie abgefaßt,
ehe sie etwas von Rhetts Kriegslist erfuhren. Glücklicherweise antworteten sie
auf Befragen einhellig, wo sie den Abend verbracht hätten, sei ihre eigene
Sache und ginge keinen verfluchten Yankee etwas an. Sie waren eingesperrt
worden und sollten am Morgen weiter verhört werden. Der alte Merriwether und
Onkel Henry erklärten ganz schamlos, sie hätten den Abend bei Belle Watling
verbracht, und als Hauptmann Jaffery ärgerlich bemerkte, für dergleichen seien
sie doch wohl zu alt, wollten sie ihn fordern.
    Belle
Watling öffnete dem Hauptmann auf sein Klopfen selber die Tür, und ehe er etwas
sagen konnte, rief sie ihm schon entgegen, das Haus sei für die Nacht
geschlossen. In den frühen Abendstunden sei eine Bande Zankhähne und
Trunkenbolde gekommen, hätte eine Rauferei angefangen, alles
durcheinandergebracht, die schönsten Spiegel zerschlagen und die jungen Damen
so erschreckt, daß das ganze Geschäft für die Nacht verdorben sei. Wollte aber
der Hauptmann Jaffery zu trinken haben, die Bar sei noch offen ...
    Hauptmann
Jaffery spürte deutlich, wie seine Leute grinsten, und hatte das hilflose
Gefühl, im Nebel zu kämpfen. Er erklärte, er wolle weder die jungen Damen noch
etwas zu trinken, sondern er wolle wissen, ob Belle die Namen der Raufbolde
kenne. O ja, Belle kannte sie, es waren ihre Stammgäste. Sie kamen jeden
Mittwochabend und nannten sich >die Mittwochsdemokraten<. Was sie
darunter verständen, wisse sie nicht und frage auch nicht danach. Wenn sie ihr
keinen Schadenersatz für die zertrümmerten Spiegel auf dem oberen Flur
leisteten, wollte sie sie verklagen. Sie habe ein anständiges Haus ... Und ohne
zu zögern leierte Belle die Namen von zwölf Verdächtigen herunter. Hauptmann
Jaffery lächelte säuerlich.
    »Diese
verfluchten Rebellen sind ebenso vorzüglich organisiert wie unser
Geheimdienst«, sagte er. »Sie und Ihre Mädchen haben morgen vor dem
Generalprofos zu erscheinen.«
    »Wird der
die Kerle dann verurteilen, meine Spiegel zu bezahlen?«
    »Zum
Teufel mit Ihren Spiegeln. Lassen Sie Rhett Butler dafür bezahlen. Ihm gehört
doch das Haus, nicht wahr?«
    Ehe der
Morgen graute, wußte jede der beteiligten Familien über den ganzen Vorgang
Bescheid. Auch die Neger, denen nichts gesagt worden war, wußten dank ihres
rätselhaften Telegraphensystems, dem die Weißen nie beikommen konnten,
Bescheid. Jeder kannte die Einzelheiten des Streifzuges, wußte von dem Tod
Frank Kennedys und des verkrüppelten Tommy Wellburn, und wie Ashley verwundet
worden war, als er Franks Leiche forttrug.
    Der
bittere Haß der Frauen gegen Scarlett, die die ganze Tragödie verursacht hatte,
wurde ein wenig gemildert durch den Tod ihres Mannes und durch die Tatsache,
daß sie davon wußte und es doch nicht zugeben konnte und auf den traurigen
Trost verzichten mußte, seine Leiche für sich zu fordern. Bis am Morgen die
Toten identifiziert waren und die Behörde Scarlett benachrichtigte, durfte sie
nichts wissen. Frank und Tommy lagen mit ihren Pistolen in der kalten Hand
still zwischen dem welken Unkraut auf dem leeren Grundstück. Die Yankees würden
feststellen, sie hätten einander in der Trunkenheit bei einer Rauferei um eines
der Watlingschen Mädchen erschossen. Das Mitgefühl für Fanny, Tommys Frau, die
gerade ein Kind bekommen hatte, war groß, aber niemand konnte sie in der
Dunkelheit besuchen und trösten, weil eine Abteilung Yankees das Haus umzingelt
hielt und auf Tommys Rückkehr wartete. Eine andere Abteilung bewachte Tante
Pittys Haus und wartete auf Frank.
    Ehe der
Morgen dämmerte, war bereits durchgesickert, daß das Verhör vor dem
Militärgericht noch am gleichen Tage stattfinden sollte. Die Bürger, denen nach
der schlaflosen Nacht und dem qualvollen Warten die Augen schwer waren, wußten,
daß die Sicherheit ihrer angesehensten Mitbürger auf dreierlei beruhte: auf der
Fähigkeit Ashleys, geradezustehen und vor dem Militärgericht zu erscheinen, als
litte er lediglich an übermächtigen Kopfschmerzen, auf Belle Watlings Aussage,
daß die Männer den ganzen Abend bei ihr zugebracht hätten, und auf

Weitere Kostenlose Bücher