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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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sagst?« Der Doktor war entgeistert über den
unerwarteten Realismus seiner Frau.
    »Ja, das
weiß ich. Ich habe Darcey verloren, ich habe Phil verloren, und nun bist du
alles, was ich noch habe, und lieber wäre mir, du schlügest in jenem Lokal
deinen dauernden Aufenthalt auf, als daß ich auch dich noch hergeben müßte.«
    »Du redest
irre! Du kannst doch unmöglich meinen, was du sagst.«
    »Mein
alter Dummkopf«, sagte Mrs. Meade zärtlich und lehnte ihren Kopf an seinen Arm.
    Der Doktor
kochte im stillen und streichelte ihr die Wange. Dann brach er von neuem los:
»Daß man dem Butler zu Dank verpflichtet sein muß! Dagegen ist der Galgen ein
Kinderspiel. Nein, selbst wenn ich ihm mein Leben zu verdanken habe, höflich
kann ich gegen ihn nicht sein.
    Seine
Unverschämtheit schreit gen Himmel, und seine schamlose Geldschneiderei bringt
mich zum Rasen. Ich soll mein Leben einem Manne verdanken, der nicht
mitgekämpft hat ...«
    »Melly
sagt, er habe sich nach Atlantas Fall gestellt.«
    »Das ist
gelogen. Miß Melly fällt auf jeden Schurken herein. Was ich nur nicht begreifen
kann, ist, warum er sich all diesen Ungelegenheiten aussetzt. Es ist mir
gräßlich, es zu sagen, aber es wird über ihn und Mrs. Kennedy geredet. Ich habe
sie voriges Jahr oft zusammen gesehen. Er muß es wohl um ihretwillen getan haben.«
    »Um
Scarletts willen hätte er keinen Finger gerührt. Da hätte er doch mit Vergnügen
Frank Kennedy hängen sehen. Ich glaube, es ist wegen Melly ... «
    »Mrs.
Meade, du kannst doch unmöglich damit andeuten wollen, daß zwischen den beiden
irgend etwas vorgefallen ist!«
    »Ach, sei
nicht so dumm. Sie hat ihn, seitdem er damals im Kriege versucht hat, Ashley
austauschen zu lassen, immer unbegreiflich gern gehabt. Und das muß man ihm
lassen, wenn er bei ihr ist, grinst er nie so unflätig wie sonst. Er ist höflich
und rücksichtsvoll zu ihr, ein ganz anderer Mensch. Aus der Art, wie er mit
Melly umgeht, sieht man, daß er anständig sein könnte, wenn er nur wollte. Ich
denke mir, er tut das alles ... « Sie zögerte. »Du wirst das aber nicht gern
hören.«
    »Gern höre
ich überhaupt nichts von der ganzen Geschichte.«
    »Nun, mir
scheint, teils tut er es Mellys wegen, aber hauptsächlich, weil er uns allen
damit einen Riesenstreich spielen konnte. Wir haben ihn so gehaßt und es ihm so
deutlich gezeigt, und nun hat er euch hereingelegt und vor die Wahl gestellt,
entweder auszusagen, ihr wäret bei Belle Watling gewesen, und damit uns alle
vor den Yankees zu blamieren, oder die Wahrheit zu gestehen und aufgehängt zu
werden. Er weiß, daß wir nun alle ihm und seiner ... Geliebten zu Dank
verpflichtet sind und daß uns allen eigentlich der Galgen lieber wäre als das.
Oh, ich wette, er hat seine helle Freude daran!«
    Der Doktor
stöhnte. »Er sah wirklich aus, als mache es ihm Spaß, als er uns in dem Lokal
die Treppe hinaufführte.«
    »Doktor
... « Mrs. Meade wollte nicht recht mit der Sprache heraus. »Wie war es denn
dort eigentlich?«
    »Was sagst
du da, Mrs. Meade?«
    »Da bei
ihr. Wie sieht es da aus? Gibt es da Kronleuchter mit Prismen? Rote
Plüschvorhänge und mannshohe Spiegel mit vergoldeten Rahmen? Und die Mädchen
... hatten sie etwas an?«
    »Herr du
meine Güte!«
    Der Doktor
war wie vom Donner gerührt. Nie
hatte er geahnt, daß eine keusche Frau von so verzehrender Neugier nach
ihren unkeuschen  Schwestern  geplagt  werden konnte.
    »Wie 
kannst nur solche Fragen stellen? Du bist nicht bei Sinnen. Ich will dir ein
Beruhigungspulver mischen.«
    »Ich will kein Schlafmittel, ich
will es wissen! Dies ist die einzige Gelegenheit in meinem Leben, zu erfahren,
wie es in einem verrufenen Hause aussieht, und nun bist du so gemein und
erzählst es mir nicht!«
    »Ich habe
überhaupt gar nichts gesehen. Ich versichere dir, es war mir so furchtbar
peinlich, mich an einem solchen Ort aufzuhalten, daß ich kein Auge für meine
Umgebung hatte«, erwiderte der Doktor sehr förmlich. Die unerwartete Aufklärung
über das Wesen seiner Frau brachte ihn ärger aus dem Gleichgewicht als alles
andere, was sich an diesem Abend schon ereignet hatte. »Sei mir nicht böse,
aber ich will jetzt versuchen, noch ein wenig zu schlafen.«
    »Nun, dann
schlafe nur«, antwortete sie hörbar enttäuscht. Als aber dann der Doktor sich
bückte, um seine Stiefel auszuziehen, klang ihre Stimme aus der Dunkelheit
wieder ganz zuversichtlich. »Dolly wird aus dem alten Merriwether schon alles
herausbekommen

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