Margaret Mitchell
Rhett
Butlers Wort, daß er mit ihnen zusammen gewesen sei.
Das demütigte
die Stadt aufs tiefste. Belle Watling! Ihr sollte man das Leben der Männer
verdanken! Frauen, die ostentativ auf die andere Straßenseite gegangen waren,
sobald sie Belle begegneten, zitterten vor Angst, sie würde es ihnen nun
nachtragen. Nicht ganz so entehrend wie die Frauen fanden es die Männer, Belle
ihr Leben zu verdanken, denn viele von ihnen hielten sie für ein braves
Frauenzimmer. Was an ihnen nagte, war vielmehr, daß sie Leben und Freiheit dem
Spekulanten und Lumpen Rhett Butler verdankten. Belle und Rhett! Die
stadtbekannte Halbweltdame und der bestgehaßte Mann der Stadt, den beiden waren
sie nun verpflichtet!
Was sie
vollends in ohnmächtige Wut versetzte, war die feste Überzeugung, den Yankees
zum Gespött zu dienen. O ja, die Yankees und die Schieber lachten jetzt. Zwölf
hervorragende Bürger der Stadt als Belle Watlings Stammgäste entlarvt, zwei von
ihnen in einem Streit um eine Prostituierte umgekommen, andere vor die Tür
gesetzt, weil ihr Rausch sogar Belle zuviel geworden war, noch andere in Haft,
wo sie nicht zugeben wollten, daß sie in jenem Hause waren, obwohl jedermann es
wußte!
Atlanta
hatte recht. Die Yankees, die so lange die Kälte und Verachtung der Südstaader
hatten hinnehmen müssen, barsten vor Lachen. Die Offiziere weckten ihre
Kameraden und berichteten ihnen lang und breit, was sich ereignet hatte.
Ehemänner holten ihre Frauen bei Sonnenaufgang aus dem Bett und erzählten ihnen
so viel, wie Frauen anstandshalber hören durften, und die Damen zogen sich
rasch an, klopften an die Tür ihrer Nachbarin und verbreiteten die schöne
Geschichte weiter.
Die
Yankeedamen waren entzückt und lachten, bis die Tränen ihnen die Wangen
herunterliefen. Das also war die Ritterlichkeit und Vornehmheit des Südens!
Vielleicht waren die Damen, die den Kopf so hoch getragen und jedes
Entgegenkommen hochmütig abgewiesen hatten, jetzt weniger unnahbar, da
jedermann wußte, wo ihre Männer sich aufzuhalten pflegten, wenn sie in eine
politische Versammlung gingen. Politische Versammlungzum Lachen.
Aber bei
all ihrem Spott empfanden sie doch Teilnahme für Scarlett und ihr trauriges
Schicksal. Schließlich war sie doch eine der wenigen Damen in Atlanta, die
höflich gegen die Yankees gewesen war. Scarlett hatte sie schon dadurch für
sich eingenommen, daß sie arbeitete, weil ihr Mann sie nicht ordentlich
ernähren konnte oder wollte. Wenn das arme Ding auch nur einen kümmerlichen
Mann gehabt hatte, so war es doch schrecklich für sie, daß er ihr untreu
gewesen war, doppelt schrecklich, daß er dabei ums Leben gekommen war.
Schließlich war ein armer Mann immer noch besser als gar kein Mann, und die
Yankeedamen beschlossen, besonders nett gegen Scarlett zu sein. Aber den
anderen, den Damen Meade, Merriwether, Elsing, Wellburn und vor allem Mrs. Wilkes
wollten sie ins Gesicht lachen, sooft sie sie sahen. Vielleicht lernten sie
dann, sich künftig etwas höflicher zu benehmen.
Dasselbe
und ähnliches wurde in den dunklen Zimmern auf der Nordseite der Stadt in den
Nachtstunden getuschelt. Die Damen von Atlanta beteuerten ihren Männern, sie
kehrten sich nicht für einen Pfifferling daran, was die Yankees von ihnen
dächten. Aber innerlich kam ihnen doch ein Spießrutenlaufen bei den Indianern
noch erträglicher vor, als sich von den Yankees auslachen lassen zu müssen,
ohne ihnen die Wahrheit sagen zu können.
Dr. Meade
war gekränkt in seiner Würde und außer sich über die schiefe Stellung, in die
Rhett ihn und die andern hineinmanövriert hatte, und sagte zu seiner Frau, wenn
er nicht fürchten müßte, die anderen bloßzustellen, so würde er lieber die
Wahrheit gestehen und sich aufhängen lassen als zuzugeben, er sei bei Belle
Watling gewesen.
»Dir wird
damit ein Schimpf angetan, Mrs. Meade!« schäumte er.
»Aber
jeder weiß doch, daß du nicht da warst ... um ...«
»Die
Yankees wissen es nicht. Und sie müssen es sogar glauben, wenn wir mit heiler
Haut davonkommen wollen. Die werden lachen. Der bloße Gedanke, daß jemand es
glaubt und darüber lacht, macht mich rasend. Für dich ist es beleidigend, weil
... liebes Kind, ich bin dir immer treu gewesen.«
»Das weiß
ich.« In der Dunkelheit lächelte Mrs. Meade und gab dem Doktor ihre magere
Hand. »Aber lieber wäre mir, es wäre wirklich wahr, als daß dir ein Haar
gekrümmt würde.«
»Mrs.
Meade, weißt du auch, was du da
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