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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Sie einen anderen Arzt. Haben Sie Angst, im Dunkeln
allein hinauszugehen?«
    »Nein«,
sagte India, und ihre beiden Augen glitzerten. »Ich habe keine Angst.« Sie nahm
Melanies Kapuzenmantel, der am Haken hing. - »Ich hole den alten Dr. Dean.«
Ihre Stimme klang nicht mehr so aufgeregt. Sie zwang sich zur Ruhe. »Es tut mir
leid, daß ich Sie einen Spion genannt habe. Ich begriff nicht, was Sie taten.
Ich bin in tiefster Seele dankbar für das, was Sie für Ashley getan haben, und
ich verachte sie trotzdem.«
    »Freimut
weiß ich zu schätzen. Ich danke Ihnen dafür.« Rhett verbeugte sich, seine
Lippen zogen sich in den Winkeln belustigt nach abwärts. »Jetzt laufen Sie, und
wenn Sie zurückkommen und sehen irgendeine Spur von Soldaten beim Haus, so
kommen Sie nicht wieder herein.«
    Noch einen
langen, angsterfüllten Blick warf India auf Ashley, dann hüllte sie sich in den
Mantel, lief über den Flur zur Hintertür und verschwand in der Nacht.
    Scarlett
schaute sich die Augen aus, an Rhetts Gestalt vorbei, und als sie sah, wie
Ashley seine Augen aufschlug, begann ihr Herz wieder zu schlagen. Melanie griff
nach einem zusammengefalteten Handtuch, das an dem Waschtisch hing, und preßte
es ihm gegen die blutende Schulter. Er lächelte ihr matt und beruhigend zu.
Scarlett fühlte Rhetts harten, durchdringenden Blick auf sich ruhen und wußte,
daß ihr ganzes Herz in ihren Zügen offen dalag, aber es war ihr einerlei.
    Ashley
blutete, verblutete vielleicht, und sie, die ihn liebte, hatte ihm die Schulter
durchbohrt. Sie wollte an sein Bett und dort auf die Knie sinken und ihn
umfangen, aber ihre Knie zitterten so, daß sie nicht zu gehen vermochte. Die
Hand am Munde, stand sie mit großen Augen da, während Melanie ihm ein frisches
Handtuch gegen die Schulter preßte, so fest, als wollte sie ihm das Blut in den
Körper zurücktreiben. Aber das Handtuch rötete sich wieder wie durch einen
Zauber.
    Wie konnte
ein Mensch so bluten und doch am Leben bleiben? Aber gottlob traten ihm keine
Blasen auf die Lippen, die schaumigen roten Blasen, die Vorboten des Todes, die
sie von jenem fürchterlichen Tage der Schlacht am Pfirsichbach so genau kannte,
als die Verwundeten auf Tante Pittys Rasen mit blutendem Munde starben.
    »Nur Mut«,
sagte Rhett. Es klang hart und höhnisch. »Der stirbt nicht. Nehmen Sie die
Lampe und leuchten Sie Mrs. Wilkes. Archie muß Botengänge machen.«
    Archie
blickte über die Lampe zu Rhett.
    »Von Ihnen
lasse ich mir nicht befehlen«, sagte er kurz und schob seinen Tabakpriem in die
andere Backe.
    »Sie tun,
was er Ihnen sagt«, befahl Melanie streng, »und das schleunigst. Alles, was
Kapitän Butler Ihnen sagt! Scarlett, nimm die Lampe.«
    Scarlett
trat vor, griff nach der Lampe und hielt sie mit beiden Händen. Ashley hatte
die Augen wieder geschlossen, seine nackte Brust hob sich mühsam und senkte
sich rasch, und der rote Strom sickerte zwischen Melanies Fingern hervor.
Undeutlich hörte sie Archie durch das Zimmer zu Rhett hinüberhumpeln und Rhetts
leise rasche Worte. Ihre Gedanken kreisten so sehr um Ashley, daß sie von
Rhetts Geflüster nur abgerissene Bruchstücke verstand: »Nehmen Sie mein Pferd
... draußen angebunden ... reiten Sie wie der Teufel.«
    Archie
murmelte eine Frage in den Bart, und Rhett antwortete: »Die alte Sullivansche
Plantage. Die Gewänder stecken oben in dem dickeren der beiden Schornsteine.
Die sollen Sie verbrennen.«
    »Hm«,
grunzte Archie.
    »Da sind
zwei ... Männer im Keller. Legen Sie sie auf das Pferd, so gut sie können, und
bringen Sie sie auf das leere Grundstück hinter Belles Haus, das zwischen dem
Haus und den Schienen. Vorsicht. Wenn jemand Sie sieht, hängen Sie am Galgen
wie wir alle. Bringen Sie sie auf das Grundstück und legen Sie Pistolen neben
sie. Stecken Sie sie ihnen in die Hand. Hier, nehmen Sie meine.«
    Scarlett
sah, wie Rhett unter seinen Rockschößen zwei Pistolen hervorzog und Archie in
den Gürtel steckte.
    »Geben Sie
mit jeder einen Schuß ab. Es muß wie eine gewöhnliche Schießerei aussehen.
Begriffen?«
    Archie
nickte verständnissinnig, und wider Willen glänzte ihm das kalte Auge vor Hochachtung.
Scarlett aber war weit davon entfernt, etwas zu begreifen. Die letzte halbe
Stunde hatte einem bösen Traum so ähnlich gesehen, daß sie das Gefühl hatte, es
könne nichts mehr einfach und klar vonstatten gehen. Rhett hingegen beherrschte
die verworrene Situation offenbar vollständig, und das war ihr ein

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