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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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aus, in der sie ihr Rouge verwahrte,
besann sich aber eines Besseren. Die arme Pitty würde völlig das Gleichgewicht
verlieren, wenn sie gar so rosig und blühend herunterkäme. Sie nahm Kölnisch
Wasser in den Mund und spülte ihn sorgfältig aus.
    Dann
raschelte sie die Treppe hinunter zu den beiden, die immer noch in der Halle
standen, denn Scarletts Dazwischentreten hatte Pitty so aus der Fassung
gebracht, daß sie darüber vergessen hatte, Rhett hereinzubitten. Er war, ganz
wie es sich gehört, in Schwarz gekleidet, sein Hemd gestärkt und gefältelt, und
er benahm sich genau so, wie die Sitten es einem alten Freunde vorschrieben,
der einen Beileidsbesuch macht, so makellos korrekt, daß es ans Komische
streifte. Er entschuldigte sich geziemend, daß er Scarlett störe, und
bedauerte, daß es ihm in der Eile, in der er vor seiner Abreise seine Geschäfte
zu ordnen hätte, nicht möglich gewesen sei, dem Begräbnis beizuwohnen.
    »Warum in
aller Welt mag er nur gekommen sein?« dachte Scarlett verwundert. »Er meint ja
kein Wort ernst.«
    »Es ist
mir schrecklich, Sie zu dieser Zeit zu überfallen, aber ich habe etwas
Geschäftliches mit Ihnen zu besprechen, das keinen Aufschub duldet, etwas, was
Mr. Kennedy und ich gemeinschaftlich in die Wege geleitet haben ... «
    »Ich wußte
nicht, daß Mr. Kennedy und Sie geschäftlich miteinander zu tun hatten«, sagte
Tante Pitty, fast entrüstet, daß ihr von Franks Tätigkeit etwas entgangen war.
    »Mr.
Kennedy war ein Mann mit vielseitigen Interessen«, sagte Rhett ehrerbietig.
»Sollen wir ins Wohnzimmer gehen?«
    »Nein«,
wehrte Scarlett entsetzt mit einem Blick auf die geschlossenen Flügeltüren ab.
Dort im Wohnzimmer sah sie immer noch den Sarg stehen und meinte, sie könne es
nie wieder betreten. Dieses Mal verstand Pitty den Wink, wenn auch ungern.
    »Bitte
geht in die Bibliothek, ich muß noch nach oben zu meiner Flickerei. Ich habe
sie letzte Woche gänzlich liegenlassen.«
    Sie ging
die Treppe hinauf und sah sich noch einmal vorwurfsvoll um, was aber weder
Scarlett noch Rhett bemerkten. Er trat zur Seite und ließ sie in die Bibliothek
vorangehen.
    »Was für
Geschäfte hatten Sie denn mit Frank?« fragte sie ohne weitere Einleitung.
    Er kam
näher heran und flüsterte: »Überhaupt keine, ich wollte nur Miß Pitty aus dem
Wege gehen.« Er hielt inne und beugte sich über sie. »Es hat keinen Zweck,
Scarlett.«
    »Was?«
    »Das
Kölnisch Wasser!«
    »Ich weiß
wahrhaftig nicht, was Sie meinen.«
    »Sie
wissen es ganz genau. Sie haben ziemlich viel getrunken.«
    »Und
wennschon. Was geht es Sie an?«
    »Die Höflichkeit
in Person, selbst noch in den Tiefen des Schmerzes! Trinken Sie nicht allein,
Scarlett, die Leute kommen doch dahinter, und es verdirbt den guten Ruf, und es
ist ein schlechter Zeitvertreib, ganz für sich allein zu trinken. Was ist dir,
mein Liebling?«
    Er führte
sie an das Rosenholzsofa, und sie setzte sich schweigend. »Darf ich die Tür
zumachen?«
    Wenn Mammy
die geschlossene Tür sah, würde es tagelang Ermahnungen und Vorwürfe setzen,
aber schlimmer noch war es, wenn Mammy die Bemerkungen über das Trinken
behorchte. Sie nickte, und Rhett zog die Schiebetür zusammen. Als er sich dann
neben sie setzte und mit dunklen Augen eindringlich in ihrem Gesicht forschte,
wich ihre Totenblässe vor dem Leben, das er ausstrahlte, und das Zimmer wurde
wieder gemütlich und anheimelnd, der Lampenschein rosig und warm.
    »Was ist
dir denn, mein Liebling?«
    Niemand
auf der Welt verstand das alberne Kosewort so einschmeichelnd zu sagen wie
Rhett, auch wenn er nur Spaß machte. Aber er sah jetzt gar nicht danach aus,
als ob er nur Spaß machte. Sie blickte gequält zu ihm auf und fühlte sich
merkwürdig getröstet durch die unerforschliche Leere in seinem Gesicht. Sie
wußte gar nicht, warum; er war doch ein unberechenbarer und gefühlloser Mensch.
Vielleicht, weil sie einander so sehr glichen? Manchmal kam es ihr vor, als
seien alle, die sie bisher gekannt hatte, fremde Menschen für sie ... bis auf
Rhett.
    »Kannst du
es mir nicht sagen?« Merkwürdig sanft faßte er ihre Hand. »Ist es noch etwas
außer dem Tode des guten Frank? Brauchst du Geld?«
    »Geld, o
Gott, nein! Ach Rhett, mir ist so bange.«
    »Sei kein Dummkopf, dir ist dein
Lebtag noch nicht bange gewesen.«
    »Doch, Rhett, mir ist bange!«
    Die Worte
sprudelten rascher hervor, als sie sie aussprechen konnte. Ihm konnte sie alles
sagen, denn er war selbst ein so schlechter Kerl

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