Margaret Mitchell
Krieg zu mir
waren, damals wegen des Geldes für das Lazarett. Hier in der Stadt ist noch nie
eine Dame gut zu mir gewesen, und wenn jemand gut zu mir ist, vergesse ich es
nicht. Ich habe gedacht, Sie würden ja eine Witwe mit einem kleinen Jungen,
wenn sie Mr.
Wilkes
aufhängen und ... einen süßen kleinen Jungen haben Sie, Mrs. Wilkes. Ich habe
auch einen Jungen, deshalb kann ich ...«
»Ach,
wirklich? Wohnt er... «
»O nein,
er ist nicht in Atlanta. Er ist noch nie hiergewesen. Er ist auf einer Schule.
Ich habe ihn nicht wiedergesehen, seitdem er klein war ... Nun, jedenfalls, als
Kapitän Butler sagte, ich solle für die Leute flunkern, wollte ich wissen, wer
es war, und als ich hörte, Mr. Wilkes wäre dabei, habe ich keinen Augenblick
geschwankt. Ich habe zu meinen Mädchen gesagt: >Ich haue euch blau und
braun, wenn ihr nicht extra betont ihr wäret den ganzen Abend mit Mr. Wilkes
zusammen gewesen<, habe ich ihnen gesagt.«
Melanie
wurde immer verlegener, als Belle so freimütig von ihren Mädchen sprach. »Oh,
das war lieb von Ihnen ... und von den ... Mädchen auch.«
»Ja, Mrs.
Wilkes, Sie haben es auch verdient«, sagte Belle warm. »Aber für den ersten
besten hätte ich es nicht getan. Wenn es bloß der Mann von dieser Mrs. Kennedy
gewesen wäre, hätte ich keinen Finger gerührt, einerlei, was Kapitän Butler
gesagt hätte.«
»Warum
denn nicht?«
»Mrs.
Wilkes, in meinem Beruf erfährt man so allerlei. Das könnte schon eine ganze
Masse feiner Damen überraschen und in Wut bringen, wenn sie ahnen würden, was
wir alles von ihnen wissen. Ich sage Ihnen, die taugt nichts, die hat ihren
Mann und den guten Wellburn umgebracht, so gut, als hätte sie sie selber
niedergeschossen. Das hat sie alles auf dem Gewissen. Wozu mußte sie sich in
Atlanta herumtreiben und den Negern den Kopf warm machen! Keine einzige von
meinen Mädchen ... «
»Sie
dürfen nicht so häßlich von meiner Schwägerin sprechen!« Melanie wurde steif
und kühl.
Belle legte
bittend die Hand auf Melanies Arm und zog sie hastig wieder zurück. »Nicht böse
werden, bitte, Mrs. Wilkes. Das kann ich nicht aushalten, nachdem Sie so gut zu
mir gewesen sind. Ich habe nicht daran gedacht, wie gern Sie sie haben. Es tut
mir leid, daß ich das gesagt habe. Es tut mir auch so leid, daß der arme Mr.
Kennedy tot ist. Das war ein netter Mann. Ich habe einiges von dem Kram bei mir
zu Hause bei ihm gekauft, und er hat mich immer freundlich behandelt. Aber Mrs.
Kennedy ... die ist eben nicht so Klasse wie Sie, Mrs. Wilkes. Sie ist ein
eiskaltes Frauenzimmer, ich kann nichts dafür, aber das finde ich ... Wann wird
Mr. Kennedy begraben?«
»Morgen
früh ... Und Sie tun Mrs. Kennedy unrecht. Sie ist ganz gebrochen vor Kummer.«
»Mag sein«,
sagte Belle ziemlich ungläubig. »Jetzt muß ich aber weiter. Ich bin bange, der
Wagen wird erkannt, wenn ich noch länger hierbleibe, und das wäre nicht gut für
Sie. Und, Mrs. Wilkes, wenn Sie mich einmal auf der Straße treffen, dann ...
brauchen Sie nicht mit mir zu sprechen, ich verstehe es schon.«
»Ich bin
stolz darauf, wenn ich mit Ihnen sprechen kann, und stolz darauf, daß ich Ihnen
zu Dank verpflichtet bin. Hoffentlich sehen wir uns einmal wieder.«
»Nein«,
sagte Belle, »das schickt sich nicht. Gute Nacht!«
47
Scarlett
saß in ihrem Schlafzimmer, nippte an dem Abendessen, das Mammy ihr
hereingebracht hatte, und lauschte dem Sturm, der durch die Nacht brauste. Das
Haus war furchtbar still, noch stiller als vor ein paar Stunden, da Frank noch
im Salon aufgebahrt lag. Da waren leise Schritte zu hören gewesen, gedämpfte
Stimmen, vorsichtiges Klopfen an der Haustür, Nachbarn, die flüsternd ihr
Beileid aussprachen, und gelegentlich ein Schluchzen von Franks Schwester, die
aus Jonesboro zur Beerdigung gekommen war.
Aber jetzt
war das Haus in Schweigen gehüllt. Obwohl die Tür offenstand, vernahm sie von
unten keinen Laut. Wade und die Kleine waren bei Melanie, seitdem Franks Leiche
nach Hause gebracht worden war, und Wades Kindergetrippel und Ellas Geplärr fehlten
ihr. In der Küche herrschte Waffenstillstand, und nichts war von dem sonst
üblichen Zank zwischen Peter, Mammy und Cookie zu vernehmen. Sogar Tante Pitty
schaukelte nicht auf ihrem knarrenden Stuhl in der Bibliothek, weil sie
Scarlett in ihrem Kummer schonen wollte.
Niemand
kam zu ihr herein, alle glaubten, sie wolle mit ihrem Schmerz allein sein, aber
das gerade wollte sie am allerwenigsten. Hätte allein ihr
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