Margaret Mitchell
her, und mir geht die
Luft aus, und dabei muß ich immer denken, wenn ich nur hinkomme, bin ich in
Sicherheit. Aber ich weiß gar nicht, wohin ich eigentlich kommen soll. Und dann
wache ich auf, eiskalt vor Grauen und so bange, daß ich wieder Hunger leiden
müßte. Und dann kommt es mir immer so vor, als gäbe es auf der ganzen Welt
nicht Geld genug, um mich von der Angst vor dem Hunger zu befreien. Und dann
war Frank immer so zaghaft und schlafmützig, daß er mich rasend machte und mir
die Geduld riß. Er wird es wohl nicht verstanden haben, ich konnte es ihm auch
nie begreiflich machen. Ich habe immer gedacht, ich könnte es eines Tages
wiedergutmachen, wenn wir Geld hätten und ich nicht solche Angst zu haben
brauchte, wieder hungern zu müssen. Und nun ist er tot, und es ist zu spät.
Auch mir schien, als ich es tat, alles recht und gut. Und nun ist alles unrecht,
was ich getan habe. Wenn ich noch einmal von vorn anfangen sollte, ich machte
es alles ganz, ganz anders.«
»Scht«,
sagte er, löste ihr die verkrampften Hände und zog ein reines Taschentuch aus
der Tasche. »Trockne dir die Tränen. Es hat keinen Sinn, daß du dir das Herz
zerreißt.«
Sie nahm
das Taschentuch und trocknete sich die feuchten Wangen. Ein klein wenig Trost
kam über sie, als sie etwas von ihrer Last auf seine breiten Schultern
abgeschoben hatte. Sein Gesicht war ruhig, und selbst der leicht verzogene Mund
war tröstlich und schien ihr fast ein Beweis dafür, daß ihre Qual und
Verwirrung grundlos waren.
»Ist dir
nun besser? Dann wollen wir der Sache einmal auf den Grund gehen. Du sagtest,
wenn du es noch einmal zu machen hättest, würdest du es alles ganz anders
machen. Ist das auch wahr? Denk nach. Meinst du wirklich?«
»Gott ...
«
»Nein, du
tätest dasselbe noch einmal. Hast du denn eine andere Wahl gehabt?«
»Nein.«
»Was also
reut dich?«
»Ich war
so gemein, und nun ist er tot!«
»Und wenn
er nicht tot wäre, wärest du immer noch gemein. Wenn ich recht verstehe, bist
du eigentlich nicht deshalb betrübt, weil du an Frank schlecht gehandelt hast,
sondern nur, weil du Angst hast, in die Hölle zu kommen. Habe ich recht?«
»Ich weiß
nicht ... es geht so durcheinander.«
»Ja, es
geht ziemlich durcheinander. Du bist in derselben Lage wie der Dieb, der auf
frischer Tat ertappt wird und nun nicht traurig ist, daß er gestohlen hat,
sondern daß er ins Gefängnis muß. Wenn du nicht die dumme Vorstellung hättest,
du wärest zum ewigen Feuer verdammt, wärest du eigentlich ganz froh, Frank los
zu sein.«
»Aber,
Rhett!«
»O bitte,
du bist jetzt einmal beim Beichten und solltest lieber die Wahrheit beichten
als eine vertuschte Lüge. Hat dein ... hm ... Gewissen dich damals sehr
bedrückt, als du dich erbotest, jenes Kleinod, das kostbarer ist als das Leben,
für dreihundert Dollar herzugeben?«
Der
Schnaps fing jetzt an, ihr den Kopf zu benebeln. Sie fühlte sich schwindlig und
gleichzeitig ein wenig übermütig. Es hatte keinen Zweck, ihm etwas vorzulügen.
Er las ihre Gedanken.
»Damals
habe ich nicht viel an Gott gedacht ... oder an die Hölle, und wenn ich es tat
... so meinte ich, Gott würde mich schon verstehen.«
»Aber daß
er auch versteht, warum du Frank geheiratet hast, das traust du ihm nicht zu?«
»Rhett,
wie können Sie so von Gott sprechen, wenn Sie doch glauben, es gäbe gar
keinen.«
»Aber du
glaubst an einen Gott des Zornes, und darauf kommt es im Augenblick an. Warum
sollte er dich nicht verstehen? Tut es dir leid, daß Tara noch dein eigen ist
und keine Schieber dort wohnen? Reut es dich, daß du nicht mehr Hunger leidest
und in Lumpen gehst?«
»O nein!«
»Hattest du denn irgendeine andere
Möglichkeit, als Frank zu heiraten?«
»Nein.«
»Er
brauchte dich doch nicht zu nehmen, nicht wahr? Die Menschen können doch tun,
was sie wollen. Und er brauchte sich doch nicht von dir zu etwas, was er nicht
wollte, zwingen zu lassen?«
»Ich weiß
nicht recht ... «
»Scarlett,
wozu zerbrichst du dir den Kopf? Wenn du es noch einmal machen müßtest, du würdest
noch einmal zur Lüge getrieben sein und er dazu, dich zu heiraten. Du würdest
dich wieder in Gefahr begeben, und er müßte dich rächen. Hätte er Schwester Sue
geheiratet, sie hätte vielleicht seinen Tod nicht herbeigeführt, aber sie hätte
ihn vielleicht dafür doppelt so unglücklich gemacht wie du. Anders hätte es
nicht gehen können.«
»Aber ich
hätte doch liebevoller zu ihm sein können.«
»Das
hättest du
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