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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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wohl - wenn du nicht du wärest. Aber du bist dazu geboren, jeden
beherrschen zu wollen, der sich von dir unterkriegen läßt Die Starken sind zum
Beherrschen geboren und die Schwachen zum Unterkriegen. Frank ist allein an
seinem Schicksal schuld. Warum ist er dir nicht mit der Peitsche gekommen? Ich
wundere mich über dich, Scarlett, daß du so spät im Leben noch ein Gewissen
entwickelst. Ein Opportunist wie du sollte lieber keines haben.«
    »Ein
Oppor... was ist das?«
    »Ein
Mensch, der die Gelegenheit nutzt.«
    »Ist das
unrecht?«
    »Es hat immer
in schlechtem Ruf gestanden, besonders bei denen, die ihre Gelegenheiten nicht
nutzen ... «
    »Ach,
Rhett, nun machen Sie wieder Unsinn. Ich dachte schon, Sie wollten nett sein.«
    »Nett ist
es auch ... für mich. Scarlett, Liebling, du hast einen Schwips, das ist es.«
    »Sie
unterstehen sich ... «
    »Ja, ich
unterstehe mich. Du bist nahe an dem, was man nicht sehr fein das >heulende
Elend< nennt, und deshalb will ich von etwas anderem reden und dir etwas
erzählen, was dich vielleicht aufmuntert. Ich bin nämlich heute abend
hergekommen, um dir eine Neuigkeit zu erzählen, ehe ich fortgehe.«
    »Wo gehen
Sie hin?«
    »Nach
England, wohl auf ein paar Monate. Vergiß jetzt dein Gewissen, Scarlett. Ich
habe keine Lust, mich weiter mit dir über dein Seelenheil zu unterhalten. Bist
du denn gar nicht neugierig auf meine Neuigkeit?«
    »Aber
...«, begann sie matt und verstummte wieder. Von dem Schnaps, der ihre
Gewissensbisse abstumpfte, und vor Rhetts spöttelnden und doch tröstlichen
Worten wich Franks bleicher Geist in die Finsternis zurück. Vielleicht hatte
Rhett recht. Vielleicht verstand Gott sie. Sie war wieder so weit erholt, daß
sie die quälenden Gedanken beiseite schieben und beschließen konnte: »Über all
das denke ich morgen nach.«
    »Was haben
Sie denn für Neuigkeiten?« fragte sie mit Anstrengung, putzte sich die Nase mit
Rhetts Taschentuch und strich das Haar zurück, das angefangen hatte, sich zu
lösen.
    »Dies ist
meine Neuigkeit«, antwortete er und lächelte auf sie hernieder. »Ich begehre
dich immer noch mehr als irgendeine Frau, die ich in meinem Leben gesehen habe,
und da Frank nun nicht mehr da ist, dachte ich, es interessiert dich
vielleicht.«
    Scarlett
riß ihm die Hände weg und sprang auf die Füße.
    »Sie sind
der gemeinste Patron auf Gottes Erdboden! Was kommen Sie mir ausgerechnet heute
mit Ihren niederträchtigen ... ach, ich hätte wissen sollen, daß Sie sich
niemals ändern! Und Frank ist kaum unter der Erde. Wenn Sie nur eine Spur von
Anstand hätten ... Verlassen Sie das Haus!«
    »Bitte,
sei still, sonst kommt im nächsten Augenblick Miß Pittypat«, sagte er und blieb
ruhig sitzen, langte aber hinauf und faßte ihre beiden Fäuste. »Ich fürchte, du
mißverstehst mich.«
    »Mißverstehen?«
Sie suchte sich loszureißen. »Es war deutlich genug. Lassen Sie mich los und
packen Sie sich fort! Eine solche Geschmacklosigkeit ist mir noch nicht
vorgekommen! Ich ... «
    »Still!«
sagte er. »Ich mache dir einen Heiratsantrag. Muß ich denn erst vor dir
niederknien, ehe du mir das glaubst?«
    Sie
hauchte »Oh!« und ließ sich auf das Sofa fallen. Mit offenem Mund starrte sie
ihn an und wußte nicht recht, ob ihr vielleicht der Alkohol blauen Dunst
vormachte. Zusammenhanglos fielen ihr seine höhnischen Worte wieder ein:
»Liebes Kind, Heiraten liegt mir nicht.« Sie war betrunken, oder aber er war
verrückt. Er sah indessen keineswegs so aus, sondern ganz ruhig, als ob er über
das Wetter spräche, und sein glatter schleppender Tonfall schlug ihr ohne jedes
Pathos ans Ohr.
    »Ich habe
dich immer haben wollen, Scarlett. Vom ersten Tage an, da ich dich in Twelve
Oaks sah, als du die Vase zerschmettertest und fluchtest und zeigtest, daß du
keine Dame bist. Ich habe dich immer haben wollen, so oder so. Aber da du und
Frank jetzt ein bißchen Geld verdient habt, weiß ich, daß du mir nie wieder mit
interessanten Vorschlägen über Darlehen, Bürgschaften und dergleichen kommen
wirst. Ich sehe deshalb ein, daß ich dich heiraten muß.«
    »Rhett
Butler, ist dies wieder einer von Ihren gemeinen Spaßen?«
    »Ich lege
meine Seele vor dir bloß, und du bist voller Argwohn! Nein, Scarlett, dies ist
eine Liebeserklärung, ganz bona fide und in allen Ehren. Ich gebe zu, daß es
nicht so überaus geschmackvoll ist, gerade in diesem Augenblick damit zu
kommen, aber ich habe eine ausgezeichnete Entschuldigung für meinen Mangel

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