Margaret Mitchell
sie.
»Du sollst
auch ohnmächtig werden, die Besinnung will ich dir rauben. Nun ist es endlich
soweit. Keiner von den Tröpfen, die du gehabt hast, hat dich so geküßt, weder
dein Charles, noch dein Frank, noch dein dummer Ashley ... «
»Bitte ...
«
»Dein
dummer Ashley, sage ich. Gentlemen sind sie alle. Was wissen sie von Frauen?
Was haben sie von dir gewußt? Ich aber kenne dich.«
Wieder lag
sein Mund auf dem ihren, und sie ließ es kampflos geschehen, zu schwach, den
Kopf abzuwenden, zu schwach sogar, es auch nur zu wollen. Das Herz hämmerte ihr
so gewaltig, daß sie erbebte. Seine Kraft und ihre haltlose Schwäche ängstigten
sie. Was wollte er noch? Wenn er nicht aufhörte, schwanden ihr unfehlbar die
Sinne. Wenn er doch aufhören ... ach, wenn er doch niemals aufhören wollte!
»Sag ja!«
Sein Mund war dicht über ihr. Seine Augen waren nahe und ungeheuer groß, sie
erfüllten die ganze Welt. »Sag ja, verdammt, oder ...«
Ganz leise
war ihr das >Ja< entfahren, ehe sie es sich versah, fast als hätte sein
Wille es ohne ihr Zutun hervorgebracht. Aber schon während sie es aussprach,
kam plötzlich Ruhe über sie. Es drehte sich nicht mehr in ihrem Kopf, sogar die
Betäubung des Alkohols ließ nach. Sie hatte versprochen, ihn zu heiraten, und
wollte es doch gar nicht. Sie wußte nicht, wie es alles gekommen war, und doch
tat es ihr nicht leid. Es kam ihr jetzt ganz natürlich vor, daß sie >Ja<
gesagt hatte - fast wie ein Eingriff von oben, als ordne eine stärkere Hand als
die ihre, was sie anging und bedrückte.
Er tat
einen raschen Atemzug, als sie >Ja< sagte, und beugte sich über sie zu
neuen Küssen. Schon schlossen sich ihre Augen, und ihr Kopf sank zurück. Aber
er hob den Kopf wieder, und sie spürte eine sachte Enttäuschung.
Eine Weile
saß er ganz steif und hielt ihren Kopf an seiner Schulter; sie fühlte, wie er
seinen bebenden Arm zur Ruhe zwang. Er gab sie ein klein wenig frei und schaute
auf sie hinab. Sie öffnete die Augen und sah, daß der beängstigende Glanz aus
den seinen gewichen war. Doch etwas hielt sie davon zurück, seinem Blick zu
begegnen. Eine Verwirrung überwältigte sie, so daß sie die Augen niederschlagen
mußte.
Er sprach
und es klang sehr ruhig. »War das dein Ernst? Willst du es nicht wieder
zurücknehmen?«
»Nein.«
»Hast du
es nicht nur gesagt, weil - wie geht doch die Redensart? ->meine Glut dich
hinriß«
Sie konnte
nicht antworten, sie wußte nicht, was sie darauf antworten sollte, und ihm ins
Auge sehen konnte sie auch nicht. Er faßte sie unter das Kinn und hob ihr
Gesicht zu sich empor.
»Ich habe
dir einmal gesagt, alles könnte ich von dir ertragen, nur keine Lüge. Jetzt sag
mir die Wahrheit. Warum hast du >Ja< gesagt?«
Noch immer
brachte sie kein Wort hervor, aber sie gewann doch etwas von ihrer Haltung
zurück. Sie hielt die Augen züchtig gesenkt, und um ihren Mund erschien ein
kleines Lächeln.
»Sieh mich
an. Wegen meines Geldes?«
»Aber,
Rhett! Was für eine Frage.«
»Sieh mir
ins Gesicht und mach keine süßen Redensarten. Ich bin nicht Charles oder Frank
oder sonst einer von den Jungen aus der Provinz, die auf deine bebenden
Augenlider hereinfallen. War es wegen meines Geldes?«
»Ja, zum
Teil.«
»Zum
Teil?«
Es ärgerte
ihn anscheinend nicht. Er tat einen raschen Atemzug, gab sich einen Ruck und
löschte etwas von der Erregung, die ihre Worte in seine Augen gebracht hatten -
die sie in ihrer Verwirrung gar nicht gewahrt hatte.
»Ach«,
stammelte sie hilflos, »Geld hilft einem doch wirklich, weißt du. Frank hat mir
nicht allzuviel hinterlassen. Aber außerdem ... nun, Rhett, du weißt ja, wir
kommen gut miteinander aus, und du bist unter allen Männern, die mir bisher
begegnet sind, der einzige, der von einer Frau die Wahrheit ertragen kann, und
es wäre doch nett, einen Mann zu haben, der mich nicht für eine dumme Gans hält
und erwartet, daß ich ihm etwas vorlüge und ... nun ja, ich habe dich gern.«
»Mich
gern?«
»Gott ja«,
gab sie ärgerlich zurück. »Wenn ich sagte, ich wäre wahnsinnig verliebt, so
löge ich, und, was noch schlimmer wäre, du wüßtest es auch ganz genau.«
»Manchmal
habe ich den Eindruck, du treibst es mit deiner Aufrichtigkeit zu weit. Findest
du nicht, jetzt wäre es für dich an der Zeit, >ich liebe dich, Rhett< zu
sagen, selbst wenn es gelogen wäre?«
Worauf
wollte er nur hinaus? Sie verwirrte sich immer mehr. So sonderbar sah er aus,
gespannt, verletzt spöttisch. Er ließ sie
Weitere Kostenlose Bücher