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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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hatten.
    »Meinst du
nicht, für einen Abend wäre genug geküßt?« gab er zurück und schmunzelte, »für
eine verschämte, wohlerzogene junge Frau ... aber habe ich dir nicht gleich
gesagt, daß es Spaß macht?«
    »Du bist
und bleibst unmöglich«, rief sie in hellem Zorn aus, ohne Rücksicht auf Mammy.
»Mir macht es nichts aus, wenn du nie wiederkommst.«
    Sie drehte
sich um und rauschte zur Treppe in der Erwartung, seine warme Hand würde sie
packen und zurückhalten. Aber er öffnete nur die Haustür, und ein kalter
Luftzug wehte herein.
    »Ich komme
aber doch wieder«, sagte er, ging hinaus und ließ sie unten an der Treppe
stehen und die Tür anschauen, die er hinter sich geschlossen hatte.
     
    Der Ring,
den Rhett aus England mitbrachte, war in der Tat so groß, daß es Scarlett
peinlich war, ihn zu tragen. Sie hatte prunkvollen, kostbaren Schmuck für ihr
Leben gern, empfand aber das unbehagliche Gefühl, daß jedermann mit Recht sagen
konnte, der Ring sei ordinär. Es war ein vierkarätiger Diamant, von Smaragden
eingefaßt. Er reichte ihr bis zum Fingergelenk hinauf, und es sah aus, als zöge
sein Gewicht die Hand zu Boden. Scarlett hatte den Verdacht, Rhett habe sich
große Mühe mit dem Entwurf des Ringes gegeben und ihn aus lauter Bosheit so
protzig wie möglich bestellt.
    Bis Rhett
wieder in Atlanta war und der Ring an ihrem Finger stak, sagte sie niemand
etwas von ihren Absichten. Auch ihrer Familie nicht, und als sie endlich ihre
Verlobung anzeigte, brach ein Sturm erbitterten Klatsches los. Seit der
Geschichte mit dem Klan waren, abgesehen von den Yankees und den Schiebern,
Rhett und Scarlett die unbeliebtesten Einwohner der Stadt geworden. Mit
Scarlett war schon seit dem längst vergangenen Tage, da sie die Witwentrauer
für Charles Hamilton abgelegt hatte, keine Seele mehr einverstanden. Die
Mißbilligung hatte wegen ihres unweiblichen Verhaltens in der
Mühlenangelegenheit, ihres unschicklichen Benehmens während der Schwangerschaft
und vieler anderer Anstößigkeiten immer mehr zugenommen. Als sie aber die
Ursache zu Franks und Tommys Tode wurde und das Leben etlicher anderer Bürger
in Gefahr brachte, steigerte sich die allgemeine Abneigung zu öffentlicher
Verurteilung.
    Was Rhett
anging, so hatte er sich den Haß der Stadt schon durch seine Spekulationen
während des Krieges zugezogen und war dann durch seine Verbindungen mit den
Yankees nicht eben beliebter geworden. Was aber den wildesten Haß der Damen von
Atlanta erregte, war merkwürdigerweise die Tatsache, daß er einigen von
Atlantas angesehensten Bürgern das Leben gerettet hatte.
    Zwar
hatten sie nichts dagegen, daß ihre Männer noch am Leben waren, aber sie nahmen
es sich tief zu Herzen, daß sie das einem Menschen wie Rhett und einer so
peinlichen Komödie wie der, die er eingefädelt hatte, verdankten. Monatelang
hatten sie bei dem Gelächter und dem Spott der Yankees Folterqualen erlitten.
Die Damen meinten, und sprachen es auch aus, daß Rhett die Angelegenheit, wäre
ihm wirklich nur an dem Wohl des Klan gelegen gewesen, auf etwas weniger unschickliche
Art hätte beilegen können. Sie behaupteten, er habe geflissentlich Belle
Watling hineingezogen, um die anständigen Leute der Stadt zu blamieren, und
verdiene daher weder Dank für die Rettung noch Vergebung seiner früheren
Sünden.
    Diese
Damen mit ihrer Bereitschaft zur Güte, ihrem Zartgefühl für die Bekümmerten,
ihrer Standhaftigkeit in der Not konnten unerbittlich wie Furien gegen einen
Abtrünnigen sein, der die kleinste Vorschrift ihres ungeschriebenen Sittenkodex
übertrat. Der Kodex war einfach. Verehrung für die Südstaaten und ihre
Veteranen, treues Einhalten der alten Formen, Stolz in der Armut, eine offene
Hand für die Freunde und nie endender Haß gegen die Yankees. Scarlett und Rhett
aber hatten gegen jedes einzelne dieser Gesetze verstoßen.
    Die
Männer, denen Rhett das Leben gerettet hatte, versuchten aus Gefühlen   des  
Anstandes   und   der   Dankbarkeit,   ihre   Frauen   zum Stillschweigen zu
bringen, aber ohne wesentlichen Erfolg. Schon ehe die bevorstehende Heirat
bekannt wurde, waren die beiden höchst unbeliebt gewesen, aber man konnte doch
noch die äußere Höflichkeit ihnen gegenüber wahren. Jetzt aber war auch dies
nicht mehr möglich. Die Nachricht von ihrer Verlobung kam so unerwartet und
erschütternd wie eine Explosion. Die Stadt schien in ihren Grundfesten zu
wanken, und auch die sanftmütigsten Frauen sagten

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