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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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sie an seiner Seite
ging.
    »Wir sind
ja wohl ein schönes Paar«, dachte sie mit Vergnügen.
    Ja, die
Ehe war ein Vergnügen, wie Rhett vorausgesagt hatte, und nicht nur das, sondern
sie lernte auch viel. Das war an sich schon merkwürdig, weil sie gemeint hatte,
das Leben könne ihr nicht viel Neues mehr zeigen. Jetzt aber kam sie sich wie
ein Kind vor, dem jeder Tag eine andere Entdeckung beschert.
    Zuerst
lernte sie, daß die Ehe mit Rhett etwas ganz anderes war als die Ehen mit
Charles oder Frank. Die beiden hatten sie mit Hochachtung behandelt und sich
vor ihren Zornesausbrüchen gefürchtet. Sie hatten um ihre Gunst geworben, und
wenn es ihr beliebte, hatte sie sich ihnen huldreich gezeigt. Rhett hart keine
Angst vor ihr und wohl auch nicht allzuviel Hochachtung, wie ihr häufig schien.
Was er wollte, das tat er, und wenn es ihr nicht gefiel, lachte er sie einfach
aus. Sie liebte ihn nicht, aber es war zweifellos aufregend, mit ihm zu leben.
Das Aufregendste an ihm war, daß er sich auch in den Ausbrüchen seiner
Leidenschaft, die manchmal mit Grausamkeit und manchmal mit aufreizender
Lustigkeit gewürzt waren, immer zurückzuhalten und seine Erregung immer noch zu
zügeln schien.
    »Das kommt
wahrscheinlich, weil er mich nicht richtig liebt«, dachte sie und war es ganz
zufrieden. »Es wäre mir schrecklich, wenn er sich einmal in irgendeiner
Richtung völlig gehen ließe.« Aber der Gedanke daran reizte doch ihre Neugierde
in höchstem Maße.
    In dem
Zusammenleben mit Rhett erfuhr sie viel über ihn und hatte doch gedacht, sie
kenne ihn schon gründlich. Seine Stimme lernte sie kennen, die bald seidenweich
wie ein Katzenfell, bald aber hart und spröde klingen und von Flüchen knattern
konnte. Mit scheinbar aufrichtiger Teilnahme konnte er Geschichten von Mut und
Ehre, von Tugend und Liebe aus den fernen Orten, wo er gewesen war, erzählen
und dann mit kältestem Zynismus die wüstesten Anekdoten daranfügen. Eigentlich
durfte kein Mann seiner Frau so etwas erzählen, aber es war unterhaltsam und
kam einem rohen und ursprünglichen Zug ihres Wesens entgegen. Eine Weile konnte
er der leidenschaftlichste, zärtlichste Liebhaber sein und gleich darauf sich
in einen spottenden Teufel verwandeln, der das Pulverfaß in ihr zur Explosion
brachte und sich freute, wenn die Funken stoben. Sie machte die Erfahrung, daß
seine Liebenswürdigkeiten immer zweischneidig waren und seine zärtlichsten
Flüsterworte immer etwas Vieldeutiges und Verdächtiges hatten. Kurz, in diesen
vierzehn Tagen in New Orleans lernte sie alles an ihm kennen, nur nicht, was er
in Wirklichkeit war.
    Manchmal
schickte er morgens das Mädchen weg und brachte ihr selbst das Frühstück. Dann
fütterte er sie wie ein Kind, nahm ihr die Haarbürste aus der Hand und bürstete
ihr das lange dunkle Haar, bis es knisterte und Funken sprühte. An anderen
Tagen wieder riß er sie brutal aus tiefem Schlaf, zog ihr alle Decken weg und
kitzelte ihr die nackten Fußsohlen. Zuweilen hörte er ernsthaft zu, wenn sie
ihm Einzelheiten aus ihrer geschäftlichen Tätigkeit erzählte, und nickte beifällig
zu ihrem Scharfsinn. Dann wieder nannte er ihre Art des Gelderwerbs
Dreckfegerei, Straßenraub und Erpressung. Er nahm sie mit ins Theater und
flüsterte ihr, um sie zu ärgern, ins Ohr, solche Vergnügungen werde Gott wohl
kaum billigen, und in die Kirche, wo er mit unterdrückter Stimme unanständige
Witze erzählte und ihr dann Vorwürfe machte, wenn sie lachte. Er ermunterte
sie, offen ihre Meinung zu sagen und sich schnippisch und gewagt zu geben. Sie
schnappte beißende Worte und spöttische Redensarten von ihm auf und lernte, sie
selber mit Genuß zu gebrauchen, weil sie ihr ein Machtgefühl über die Menschen
verliehen. Aber sie besaß nicht den Humor, der seine Bosheit milderte, und
nicht sein Lächeln, mit dem er sich selbst zugleich mit den anderen verspottete.
    Er lehrte
sie wieder spielen, was sie fast vergessen hatte. Das Leben war gar zu ernst
und grausam gewesen. Er verstand zu spielen und riß sie mit sich fort. Aber er
spielte niemals wie ein Junge. Er war ein Mann, und alles, was er tat, gemahnte
sie daran. Sie konnte nicht von der Höhe weiblicher Überlegenheit auf ihn
herabschauen und lächeln, wie die Frauen von jeher über die Possen der Männer,
die im Herzen noch Knaben sind, über das Kind im Manne gelächelt haben.
    Das
ärgerte sie ein bißchen, denn wie schön wäre es doch, sich Rhett überlegen
fühlen zu können! Alle anderen

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