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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Männer, die sie gekannt hatte, ließen sich mit
einem herablassenden »Wie kindlich!« abtun: ihr Vater, die Zwillinge Tarleton
mit ihren Neckereien und gerissenen Streichen, die kleinen Fontaines mit ihren
kindischen Wutanfällen, Charles, Frank und alle, die ihr während des Krieges
den Hof gemacht hatten - alle außer Ashley. Nur Ashley und Rhett entzogen sich
ihrem Verständnis und ihrer Überlegenheit, denn beide waren erwachsen und hatten
keinerlei knabenhafte Züge in ihrem Wesen.
    Sie
verstand Rhett nicht und gab sich auch weiter keine Mühe, ihn zu verstehen,
obwohl einiges an ihm ihr gelegentlich Kopfzerbrechen verursachte, zum Beispiel
die Art, wie er sie manchmal anschaute, wenn er meinte, sie merkte es nicht.
Wenn sie sich rasch umdrehte, ertappte sie ihn häufig dabei, daß er sie mit
wachsamen, wißbegierigen und abwartenden Augen beobachtete.
    »Warum
siehst du mich so an wie die Katze das Mausloch?« fragte sie ihn einmal
ärgerlich.
    Aber inzwischen
hatte sich sein Ausdruck schon wieder verändert, und er lachte. Bald vergaß sie
es und ließ schließlich in allem, was Rhett anging, vom Rätselraten ab. Er war
so unberechenbar, daß es keinen Zweck hatte, sich seinetwegen Gedanken zu
machen, und das Leben war sehr schön - solange sie nicht an Ashley dachte.
    Rhett ließ
ihr wenig Muße, an Ashley zu denken. Tagsüber kam ihr kaum je der Gedanke an
ihn, aber in der Nacht, wenn sie müde vom Tanzen war und ihr der Kopf vom
vielen Sekt schwindelte, dann dachte sie an ihn. Oft, wenn sie schläfrig in
Rhetts Armen lag und der Mond ihnen aufs Bett schien, malte sie sich aus, wie
glücklich das Leben sein könnte, wenn jetzt Ashleys Arme sie fest umfaßten.
Wenn jetzt Ashley es wäre, der sich ihr schwarzes Haar übers Gesicht zöge und
um den Hals wickelte. Einmal seufzte sie bei solchen Vorstellungen traurig auf
und drehte den Kopf zum Fenster. Da fühlte sie, wieder starke Arm unter ihrem
Nacken hart wie Eisen wurde und hörte in der Stille Rhetts Stimme: »Gott
verdamme deine falsche kleine Seele für alle Ewigkeit zur Hölle!«
    Dann stand
er auf, zog sich an und ging, ohne ihrer erschrockenen Fragen zu achten, aus
dem Zimmer. Am nächsten Morgen, als sie frühstückte, erschien er wieder,
zerzaust, betrunken und in schlimmster Spötterlaune, entschuldigte sich nicht
und erklärte nicht, wo er gewesen war.
    Scarlett
stellte keine Fragen und behandelte ihn kühl, wie es sich für eine gekränkte
Gattin ziemt. Als sie fertig gefrühstückt hatte, zog sie sich an, während er
ihr aus trüben Augen zusah, und ging aus, um Einkäufe zu machen. Als sie
zurückkam, war er fort und erschien erst zum Abendessen wieder.
    Es war
eine schweigsame Mahlzeit. Scarlett war verstimmt. Es war ihr letztes Abendessen
in New Orleans, und gar zu gern wollte sie doch dem Hummer Gerechtigkeit
widerfahren lassen. Aber unter Rhetts seltsamen Blicken hatte sie keinen Genuß
daran. Trotzdem aß sie reichlich und trank viel Champagner dazu. Vielleicht war
das die Ursache, daß ihr in der Nacht der alte Alpdruck wiederkehrte. Sie war
wieder auf Tara, und Tara war verödet. Mutter war gestorben und mit ihr alle
Kraft und Weisheit der Welt. Sie hatte niemand mehr auf Erden, an den sie sich
wenden und auf den sie sich verlassen konnte. Etwas Schreckliches war ihr auf
den Fersen. Sie lief, bis ihr das Herz zerspringen wollte, lief und lief durch
den dichten schwimmenden Nebel, schrie und suchte blindlings nach dem sicheren
Hafen, dem namenlosen, unbekannten, der irgendwo im Dunst um sie her verborgen
lag.
    Sie
erwachte in Schweiß gebadet und schluchzte keuchend. Rhett beugte sich über sie
und nahm sie wortlos in den Arm wie ein Kind. Er drückte sie an sich, seine
festen Muskeln und sein wortloses Gemurmel trösteten und beruhigten sie, bis
sie aufhörte zu schluchzen.
    »Ach,
Rhett, mich fror und hungerte so, ich war so müde und konnte es doch nicht
finden. Ich jagte durch den Nebel, jagte und jagte und konnte es nicht finden.«
    »Was
konntest du nicht finden, Liebling?«
    »Ich weiß
es nicht. Wüßte ich es doch!«
    »Ist es
wieder der alte Traum?«
    »Ach ja.«
    Er bettete
ihren Kopf behutsam aufs Kissen, suchte in der Dunkelheit und zündete eine
Kerze an. Es wurde hell, aber sein Gesicht mit den blutunterlaufenen Augen und
den scharfen Zügen war unerforschlich wie ein Stein. Sein Hemd war bis zum
Gürtel offen und zeigte die braune Brust mit den dichten schwarzen Haaren.
Scarlett zitterte noch vor Angst, aber sie fand

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