Margaret Mitchell
der Stadt zu werden versprach. Sogar
noch eindrucksvoller als das nahe gelegene James-Haus, das gerade als
Amtswohnung für den Gouverneur Bullock gekauft worden war.
Der Palast
des Gouverneurs tat mit ausgesägtem Schmuck an Geländer und Dachrinnen sein
Bestes, aber gegen das vielfältige Schnitzwerk an Scarletts Haus kam er nicht
auf. Er hatte einen Tanzsaal, aber im Vergleich zu dem Riesenraum, der in
Scarletts Haus den ganzen dritten Stock einnahm, wirkte er nur wie ein
Billardtisch. Ihr Haus stach in der Tat an allem Erdenklichen den
Gouverneurspalast und jedes andere Haus in der Stadt aus, an Kuppeln und Türmen,
Türmchen und Erkern, Blitzableitern und den zahlreichen Fenstern mit bunten
Scheiben.
Ein
Balkon, zu dem an den vier Seiten des Gebäudes vier Treppen hinaufführten,
umgab das ganze Haus. Der Garten war geräumig und schön angepflanzt, darin
verstreut standen ländliche Eisenbänke und ein gußeiserner Pavillon, den die
elegante Welt von damals »Gazebo« nannte und der, wie man Scarlett versicherte,
in rein gotischem Stil errichtet war, sowie zwei große Standbilder aus
Gußeisen, einen Hirsch und eine Bulldogge, so groß wie ein Shetland-Pony,
darstellend. Für Wade und Ella, die von der Größe und dem Prunk und dem
modischen Halbdunkel ihres neuen Heims etwas verstört waren, waren die beiden
Eisentiere das einzig Erfreuliche.
Innen
wurde das Haus ganz nach Scarletts Wünschen eingerichtet. Die Fußböden waren
mit dicken roten Teppichen ausgelegt, rote Samtportieren hingen an den Türen,
und die neuesten Hochglanzmöbel in schwarzem Nußbaum mit Schnitzereien, wo nur
ein Plätzchen zum Schnitzen war, luden zum Sitzen ein; sie waren aber mit
glattem Roßhaar so stramm gepolstert, daß die Damen sich nur vorsichtig darauf
niederließen; zu leicht konnte man heruntergleiten. An den Wänden hingen
überall Spiegel in vergoldeten Rahmen, zum Teil mannshoch; es waren, wie Rhett nachlässig
bemerkte, genau solche wie in Belle Watlings Lokal. Dazwischen hingen
Stahlstiche in schweren Rahmen, etliche acht Fuß lang, die Scarlett eigens aus
New York hatte kommen lassen. Die Wände waren mit dunklen reichgemusterten
Tapeten bedeckt, die Zimmer waren sehr hoch und zu allen Tageszeiten dämmerig,
da die Fenster ganz mit pflaumenfarbenen Samtportieren verhängt waren, die fast
alles Sonnenlicht fernhielten.
Im ganzen
war es eine atembeklemmende Behausung, und wenn Scarlett auf den weichen Teppichen
einherschritt und tief in die weichen Federbetten versank, gedachte sie der
kalten Fußböden und der Strohmatratzen auf Tara und war zufrieden. Für sie war
es das schönste und am elegantesten eingerichtete Haus, das sie kannte. Rhett
meinte, es wäre ein Alpdruck. »Aber wenn es dich glücklich macht ... wohl
bekomm's.«
»Ein
Fremder, der nie etwas von uns gehört hätte«, sagte er, »wüßte trotzdem, daß
Schiebergeld in dem Haus steckt. Unrecht Gut gedeihet nicht. Dieses Haus ist
der Beweis dafür. Es ist das richtige Kriegsgewinnlerhaus.«
Aber
Scarlett, zum Überlaufen voll von Stolz und Glück und tausend Plänen für die
Gesellschaften, die sie geben wollte, wenn sie erst eingerichtet waren, kniff
ihn übermütig ins Ohrläppchen und sagte: »Dummes Zeug, was du nicht alles
redest!«
Sie hatte
längst begriffen, daß Rhett ihr mit Vorliebe, wo er nur konnte, Wasser in den
Wein goß und daß er ihr jeden Spaß verderben würde, wenn sie sich seine
Sticheleien zu Herzen nahm. Dann konnte sie sich zwar mit ihm zanken, aber es
lag ihr nichts daran, die Klingen mit ihm zu kreuzen, denn sie zog regelmäßig
den kürzeren. Daher hörte sie meistens nicht zu, und wenn sie einmal zuhörte,
so suchte sie seine Worte ins Lächerliche abzubiegen. So ging es wenigstens
eine Zeitlang gut.
Auf der
Hochzeitsreise und meistens auch während ihres Aufenthaltes im Hotel National
hatten sie auf gute Art miteinander gelebt. Aber kaum waren sie in das neue
Haus eingezogen, kaum hatte Scarlett ihre neuen Freunde um sich versammelt, da
kam es oft ganz plötzlich zu scharfen Auftritten. Aber der Streit dauerte nie
lange. Es war bei Rhett unmöglich, weil er ihren hitzigen Worten gegenüber nur
kühl und gleichmütig abzuwarten pflegte, bis er sie an einer verwundbaren
Stelle treffen konnte. Sie stritt, aber Rhett stritt nicht mit. Er sagte ihr
nur unmißverständlich seine Meinung über sie selbst, ihre Handlungsweise, ihr
Haus und ihren Umgang. Und seine Meinung war zum Teil so, daß sie sie auf die
Dauer nicht als
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