Margaret Mitchell
Leute wirklich etwas.«
»Melly ist
verrückt. Die Damen haben ganz recht. Scarlett ist eine lockere Motte, und ich
sehe nicht ein, warum Charlie sie geheiratet hat«, sagte Onkel Henry düster.
»Aber auf ihre Weise hat Melly auch wieder recht. Es ist nicht mehr als
anständig, daß die Familien der Männer, denen Butler das Leben gerettet hat,
dort einen Besuch machen. Wenn ich der Sache richtig auf den Grund gehe, habe
ich übrigens gar nicht soviel gegen Butler. Er hat sich damals, als er uns vorm
Galgen bewahrte, als ein ganzer Mann gezeigt. Wer mir im Magen liegt, daß ist
Scarlett. Sie ist reichlich dreist. Mehr als ihr gut ist. Nun, ich muß
jedenfalls hin. Schieber hin, Schieber her, Scarlett ist schließlich meine
angeheiratete Nichte. Ich hatte vor, heute nachmittag hinzugehen.«
»Ich gehe
mit, Henry, Dolly wird freilich ganz außer Rand und Band sein, wenn sie das
hört. Gönne mir noch einen Schluck.«
»Nein, wir
wollen Kapitän Butler um ein Gläschen schädigen. Er hat immer guten Schnaps,
daß muß ihm der Neid lassen.«
Rhett
hatte gesagt, die alte Garde werde sich nicht ergeben, und so geschah es auch.
Er wußte, wie wenig die paar Besuche, die sie bekamen, zu bedeuten hatten und
welchem Umstand er sie überhaupt zu verdanken hatte. Die Familien der Männer,
die an der unseligen Unternehmung des Klans beteiligt waren, kamen wohl
anfangs, dann aber auffallend selten und luden ihrerseits Butlers nicht zu sich
ein.
Rhett sagte,
sie wären überhaupt nicht gekommen, hätten sie nicht gefürchtet, daß Melanie
sonst Gewalt anwenden würde. Wie er darauf kam, wußte Scarlett nicht. Wie
sollte es denn möglich sein, daß Melanie gegen Leute wie die Damen Elsing und
Merriwether Gewalt anwendete? Daß sie nicht wiederkamen, focht sie nicht an,
ja, sie bemerkte es kaum, denn in ihren Räumen drängten sich Gäste ganz anderer
Art. »Neue Leute« hießen sie bei den alteingesessenen Familien Atlantas, wenn
sie nicht mit noch unliebenswürdigeren Bezeichnungen tituliert wurden.
Im Hotel
National wohnten eine Menge »neuer Leute«, die wie Rhett und Scarlett darauf
warteten, daß ihre Häuser fertig wurden - vergnügte reiche Leute, ganz ähnlich
wie Rhetts Freunde in New Orleans, elegant gekleidet, freigebig und von nicht
näher bestimmbarem Vorleben. Alle waren sie Republikaner und hatten in Atlanta
Geschäfte, die mit der Staatsregierung zusammenhingen. Was das für Geschäfte
waren, wußte Scarlett nicht und gab sich auch nicht die Mühe, es zu erfahren.
Rhett hätte
ihr erklären können, um was es sich handelte. Es waren die Geschäfte von Geiern
bei einem verendenden Tier. Sie witterten den Tod von fern, und die Gier, sich
zu sättigen, zog sie unfehlbar an. Eine Selbstverwaltung gab es in Georgia
nicht mehr, der Staat war hilflos, und die Abenteurer schwärmten von allen
Seiten herein.
Die Frauen
von Rhetts Kumpanen kamen in Scharen, um ihre Antrittsbesuche zu machen, ebenso
die »neuen Leute«, denen sie bei ihrem Holzhandel schon begegnet war. Rhett
meinte, da sie das Holz für ihre Neubauten bei ihr gekauft hätten, solle sie
sie auch empfangen. Als sie sie bei sich sah, fand sie es angenehm, mit ihnen
umzugehen. Sie waren reizend angezogen und sprachen nie vom Krieg und den
schweren Zeiten, sondern beschränkten ihre Unterhaltung auf die neuesten Moden,
auf Skandalgeschichten und auf Whist. Scarlett, die bisher nie Karten gespielt
hatte, fand rasch Gefallen am Spiel und wurde in kurzer Zeit eine gute
Spielerin.
Sobald sie
im Hotel war, fanden sich eine Menge Whistspieler bei ihr ein. Aber in jenen
Tagen war sie nicht oft in ihren Zimmern. Sie hatte zuviel mit dem Neubau des
Hauses zu tun, um sich mit Besuch abzugeben. Am liebsten wollte sie alle ihre
geselligen Freuden und Pflichten verschieben bis zu dem Tage, da der Bau fertig
war und sie als die Herrin des schönsten Hauses von Atlanta und als Gastgeberin
der erlesensten Gesellschaften der Stadt in Erscheinung treten könnte.
An den
langen warmen Tagen sah sie ihr Haus in rotem Stein und grauen Schindeln
prunkvoll emporsteigen, bis es jedes andere in der Pfirsichstraße überragte.
Die Mühlen und den Laden überließ sie sich selbst und verbrachte ihre Zeit auf
dem Grundstück, focht Meinungsverschiedenheiten mit den Zimmerleuten aus,
zankte sich mit den Maurern herum und hetzte den Bauunternehmer zu größerer
Eile. Als die Mauern rasch in die Höhe stiegen, sah sie befriedigt, daß das
Haus schöner und größer als jedes andere
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