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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Sie sahen in Scarlett nicht nur Reichtum und
Eleganz, sondern auch die alte Zeit verkörpert mit ihren alten Namen, ihren
alten Familien, ihrem Herkommen, was sie sich alles so gern zu eigen gemacht
hätten. Daß die alten Familien, nach denen sie so heul begehrten, Scarlett
ausgestoßen hatten, wußten die Damen der neuen Aristokratie freilich nicht. Sie
wußten nur, daß Scarletts Vater ein großer Sklavenbesitzer und ihre Mutter eine
Robillard aus Savannah gewesen sei; ihr Mann aber war Rhett Butler aus
Charleston, und das genügte ihnen. Für sie war Scarlett der Keil, der ihnen den
Eintritt in die gute alte Gesellschaft, die sich ihnen nicht öffnen wollte,
ermöglichen konnte. Für sie war überhaupt Scarlett die Gesellschaft in Person.
Da sie alle keine echten Damen waren, durchschauten Sie Scarletts Unmöglichkeit
ebensowenig, wie sie selber sie erkannte. Sie nahmen Scarlett für das, was sie selber
zu sein glaubte, und ließen sich von ihr alles gefallen, ihren Hochmut, ihre
Launen, ihren Jähzorn, ihre Anmaßung, ihre unverblümte Grobheit und Offenheit
in Bezug auf die Mängel der anderen.
    Sie waren
erst so kürzlich aus dem Nichts emporgestiegen und noch so unsicher, daß ihnen
doppelt daran lag, gebildet zu erscheinen. Sie scheuten sich, ihren Ärger zu
zeigen und auf einen groben Klotz einen groben Keil zu setzen, weil sie um
jeden Preis als Damen gelten wollten. Sie taten zart besaitet, züchtig und
unschuldig. Wenn man sie reden hörte, hätte man glauben können, sie hätten
weder Beine noch natürliche Körperfunktionen, noch irgendwelche Kenntnis von
der bösen Welt. Wer hätte gedacht, daß die rothaarige Bridget Flaherty mit
ihrer weißen Haut und einem so breiten Irisch, daß man es mit dem Messerrücken
zerschneiden konnte, ihres Vaters versteckte Ersparnisse gestohlen hatte, um
nach Amerika zu gehen und in einem New Yorker Hotel Stubenmädchen zu werden!
Und wer die launische Geziertheit Sylvia Connigtons und Mamie Barts auf sich
wirken ließ, ahnte nicht, daß jene in der Kneipe ihres Vaters aufgewachsen war
und in der Bar bedient hatte, während diese aus ihres Mannes eigenem Bordell
stammte, wie man munkelte. Jetzt waren es zarte, sorglich umhegte Geschöpfe.
    Die Männer
hatten zwar Geld verdient, fanden sich aber weniger leicht in die neuen Formen
und hatten wohl auch weniger Geduld, die Anforderungen der Vornehmheit zu erfüllen.
Meist tranken sie auf Scarletts Gesellschaft zuviel, und dann gab es hinterher
häufig einen oder auch mehrere unerwartete Logiergäste. Sie tranken nicht wie
die Männer, die Scarlett als Mädchen gekannt hatte, sie bekamen aufgedunsene
Gesichter, wurden stumpfsinnig, geschmacklos und unanständig, und mochte
Scarlett auch noch soviel Spucknäpfe aufstellen, am Morgen nach einer
Gesellschaft zeigten die Teppiche doch jedesmal wieder Spuren von Tabaksaft.
    Sie
verachtete diese Leute, aber sie hatte ihren Spaß an ihnen. Zu ihrem Vergnügen
lud sie sie ein, und aus Verachtung schickte sie sie, sooft sie sich an ihnen
ärgerte, wieder fort. Sie ließen sich alles gefallen.
    Sie ließen
sich sogar Rhett gefallen, was schwieriger war, denn Rhett durchschaute sie,
und sie wußten es. Er scheute sich nicht, sie bloßzustellen, daß sie nackend
dastanden. Er schämte sich seines Werdeganges nicht und tat so, als dächten
jene ebenso unbefangen über ihre Anfänge. Selten versäumte er eine Gelegenheit,
Dinge zu sagen, die nach stillschweigendem Übereinkommen besser ungesagt
blieben.
    Man war
nie sicher davor, daß er über ein Punschglas hinweg etwa höflich bemerkte:
»Ralph, ich hätte mein Vermögen lieber mit dem Verkauf von Goldkuxen an Witwen
und Waisen machen sollen wie du, anstatt mit Blockadeschifferei. Es ist so viel
sicherer.« Oder: »Nun, Bill, hast wohl wieder einmal ein paar tausend Aktien
nicht vorhandener Eisenbahnen verkauft?« Oder: »Gratuliere zum Staatsauftrag!
Zu ärgerlich nur, daß du so viel Schmiergeld dafür hast geben müssen.«
    Die Damen
fanden ihn widerwärtig und unausstehlich. Die Männer sagten hinter seinem
Rücken, er sei ein ekelhafter Kerl und ein Schweinehund. Das neue Atlanta hatte
für ihn nicht mehr übrig als das alte. Er aber ging belustigt und voller
Verachtung seinen Weg, gefeit gegen das Gerede der Umwelt und höflich auf eine
Art, die beleidigend wirkte. Für Scarlett war er immer noch ein Rätsel, über
das sie sich aber nicht länger den Kopf zerbrach. Sie war überzeugt, daß ihm
nichts Freude machte oder je Freude

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