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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Kriegsjahr wohl oder übel in Europa zubringen
mußten; Hundons, die in vielen Städten steckbrieflich gesucht wurden, sich aber
trotzdem häufig mit Erfolg um Staatsaufträge bewarben; Carahans, die in einer
Spielhölle angefangen hatten und nun mit dem höheren Einsatz von Staatsgeldern
für den Bau einer nur auf dem Papier stehenden Eisenbahn spielten; Flahertys,
die 1861 Salz für einen Cent das Pfund gekauft und ein Vermögen gemacht hatten,
als es 1863 auf fünfzig Cents stieg; und Barts, die in einer Großstadt des
Nordens während der ganzen Kriegszeit das größte Bordell besessen hatten und
nun in den ersten Kreisen der »Gesellschaft« verkehrten.
    Das war
jetzt Scarletts enger Freundeskreis, aber zu ihren größeren Empfängen kamen
auch Menschen von Welt und Bildung, Menschen aus allerbesten Familien. Außer
dem Schieberadel waren auch Leute von gediegenerem Schlag nach Atlanta
übergesiedelt, die von der großen geschäftlichen Betriebsamkeit in dieser Zeit
der Expansion angezogen wurden. Reiche Yankeefamilien schickten ihre Söhne nach
dem Süden, damit sie in dem neuen Grenzgebiet Pionierarbeit täten, und
verabschiedete Yankeeoffiziere ließen sich zu dauerndem Aufenthalt in der Stadt
nieder, die zu erobern sie so harte Kämpfe gekostet hatte. Als Fremde in einer
fremden Stadt nahmen sie im Anfang die Einladung zu den üppigen Gesellschaften
der reichen, gastfreien Mrs. Butler an, aber bald verloren sie sich wieder aus
ihrem Kreise. Es waren anständige Menschen, die nur einer kurzen Bekanntschaft
mit den Schiebern und ihrer Atmosphäre bedurften, um sie ebenso zu
verabscheuen, wie es die alten Georgianer taten. Manche von ihnen wurden
Demokraten und noch begeistertere Südstaatler als die alteingesessenen
Familien.
    Andere,
die nicht in Scarletts Kreis paßten, blieben nur darin, weil sie anderswo nicht
willkommen waren. Ihnen wären die ruhigen Salons der alten Garde viel
angenehmer gewesen, aber die alte Garde wollte von ihnen nichts wissen.
Darunter waren die Schulvorsteherinnen aus dem Norden, die erfüllt von dem
Verlangen hergekommen waren, die Neger geistig zu heben, und die
Gesinnungslumpen, die als gute Demokraten geboren, aber nach der Kapitulation
Republikaner geworden waren.
    Es war
schwer zu sagen, welche Klasse unter der alteingesessenen Bürgerschaft ärger
verhaßt war, die weltfremden Schulmamsells der Yankees oder die
Gesinnungslumpen. Wahrscheinlich kamen jene doch noch ein wenig besser weg. Von
ihnen konnte man zur Not noch sagen: »Was kann man schließlich von
Niggerfreunden aus dem Norden erwarten?
    Daß sie
den Nigger für nichts Geringeres halten als sich selbst, ist nur natürlich.«
Aber für echte Georgianer, die aus Gewinnsucht Republikaner geworden waren, gab
es keine Entschuldigung.
    »Für uns
ist der Hunger immer noch gut genug, also auch für euch«, meinte die alte
Garde. Viele der früheren konföderierten Soldaten, die die wahnsinnige Angst
eines Mannes kannten, wenn er seine Familie in Not sieht, waren nachsichtig
gegen ihre früheren Kameraden, die ihre politische Farbe gewechselt hatten,
damit ihre Familie satt wurde. Die Frauen aber nicht, und sie standen als
unbeugsame Macht hinter dem Gesetz der Gesellschaft. Die verlorene Sache war
jetzt stärker und ihrem Herzen teurer, als sie es je auf der Höhe des Ruhmes
gewesen war. Jetzt glich sie einem Fetisch. Alles, was mit ihr zusammenhing,
war heilig, die Gräber der Gefallenen, die Schlachtfelder, die zerfetzten
Fahnen, die Degen, die zu Hause über Kreuz in der Halle hingen, die
verblichenen Briefe von der Front, die Veteranen. Diese Frauen gaben den
früheren Feinden keinen Pardon, und weder Beistand noch Trost war von ihnen zu
erwarten. Scarlett aber rechnete zu den Feinden.
    Die
gemischte Gesellschaft, die durch die politischen Wechselfälle
zusammengewürfelt worden war, hatte nur eins gemeinsam, das Geld. Da die
meisten vor dem Kriege kaum mehr als fünfundzwanzig Dollar auf einmal besessen
hatten, gaben sie sich jetzt einer wahren Orgie des Geldausgebens hin, wie
Atlanta sie noch nicht erlebt hatte.
    Seitdem
die Republikaner an der Macht waren, war die Stadt in eine Periode
unerhörtester Verschwendung eingetreten, und die gesellschaftlichen Formen
waren nur wie ein dünner Lack, der das Laster und die Gemeinheit notdürftig
bedeckte. Nie zuvor war die Kluft zwischen reich und arm so groß gewesen. Wer
oben schwamm, hatte keinen Gedanken für die weniger Glücklichen mehr übrig -
natürlich mit

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