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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Ausnahme der Neger, für die das Beste eben gut genug war, die
besten Schuhe und Wohnungen, die elegantesten Kleider, die schönsten
Vergnügungen. Politisch bedeuteten sie die Macht, weil die Stimme jedes Negers
zählte. Die verarmten Bürger von Atlanta konnten verhungern und auf der Straße
tot umfallen. Die reich gewordenen Republikaner kehrten sich nicht daran.
    Von dieser
Woge der Gemeinheit ließ Scarlett sich im Triumph dahintragen, jung
verheiratet, wie sie war, blendend hübsch in ihren schönen Kleidern, mit dem
festen Rückhalt an Rhetts Vermögen. Es war eine Zeit, wie sie ihrer Natur lag,
roh, glanzvoll und protzig, mit aufgetakelten Frauen, prunkvollen Häusern, mit
zuviel Schmuck, zuviel Pferden, zuviel zu essen und zu trinken. Wenn Scarlett
in seltenen Augenblicken einmal darüber nachdachte, war sie sich bewußt, daß
nach Ellens strengern Maßstabe keine von den Frauen, mit denen sie jetzt Umgang
pflegte, eine Dame war. Aber seit jenem längst vergangenen Tage, da sie im
Wohnzimmer von Tara beschlossen hatte, Rhetts Geliebte zu werden, hatte sie
Ellens Gebote zu oft übertreten, als daß sie jetzt noch Gewissensbisse darüber
hätte empfinden können.
    Mochten
die neuen Freunde auch strenggenommen keine Ladies und keine Gentlemen sein, so
waren sie doch amüsant, wie Rhetts Freunde in New Orleans, viel unterhaltsamer
als die trübseligen, Shakespeare lesenden und zur Kirche gehenden Freunde ihrer
früheren Atlantaer Zeit. Seit Ewigkeiten hatte sie sich, mit Ausnahme ihrer kurzen
Hochzeitsreise, nicht so amüsiert. Sie hatte sich auch niemals so sicher
gefühlt. Jetzt konnte ihr nichts mehr zustoßen. Jetzt wollte sie tanzen,
spielen und in Saus und Braus leben, wollte in gutem Essen und feinen Weinen
schwelgen, sich in Seide und Atlas kleiden und auf weichen Federbetten und
schön gepolsterten Sesseln sich des Lebens freuen. Und sie genoß alles
ausgiebig. Ermuntert durch Rhetts belustigtes Gewährenlassen, frei von den
Beschränkungen ihrer Kindheit, ja frei von der Todesangst vor der Armut,
leistete sie sich allen Luxus, den sie sich je erträumt hatte. Sie sagte und
tat nur, was ihr beliebte, und wenn sie jemanden nicht leiden mochte, so
schickte sie ihn zum Teufel.
    Ein
Freudenrausch hatte sie überkommen wie jeden, dessen Dasein der strengen
Gesellschaft geflissentlich ins Gesicht schlägt, den Spieler, den Hochstapler,
den Abenteurer und alle, die sich durch ihre eigene Gescheitheit durchsetzen.
Sie sagte und tat, was ihr gefiel, und schon kannte ihre Dreistigkeit keine
Grenzen mehr.
    Sie
genierte sich nicht, ihre neuen Freunde von oben herab zu behandeln, und gegen
niemand war sie unverschämter als gegen die Offiziere der Yankees und ihre
Familien. Unter all den verschiedenartigen Menschen, die nach Atlanta strömten,
war das Militär die einzige Klasse, die zu empfangen oder auch zu dulden sie
sich weigerte. Sie gab sich ausgesprochene Mühe, ungezogen gegen sie zu sein.
Melanie war nicht die einzige, die nicht vergessen konnte, was die blaue
Uniform bedeutet. Für Scarlett war sie auf alle Zeiten mit den Schrecken der
Belagerung und der Flucht, mit Plünderung und Brandschatzung, mit verzweifelter
Armut und zermürbender Arbeit verknüpft, jetzt konnte sie sich erlauben, jede
blaue Uniform, die sie zu Gesicht bekam, zu beleidigen. Sie benahm sich in der
Tat beleidigend.
    Einmal
wies Rhett sie nachlässig darauf hin, daß die meisten Männer, die in ihr Haus
kamen, vor nicht allzu langer Zeit noch ebenfalls die blaue Uniform getragen
hätten. Sie erwiderte nur, ein Yankee sei gar kein richtiger Yankee, wenn er
nicht die blaue Uniform anhabe. Worauf Rhett achselzuckend erwiderte:
»Beständigkeit, welch ein Juwel bist du!«
    Weil
Scarlett die blaue Uniform haßte, liebte sie es, den Offizieren so über den
Mund zu fahren, daß die Armen gar nicht wußten, was sie davon denken sollten.
Meistens waren es durchaus ruhige, wohlerzogene Leute, die sich in Feindesland
einsam fühlten und Heimweh nach dem Norden hatten, sich auch wohl des Gesindels
ein wenig schämten, das zu stützen sie die Aufgabe hatten. Es war eine sehr
viel erfreulichere Schicht als die, in der Scarlett verkehrte. Die
Offiziersdamen waren begreiflicherweise befremdet, daß Mrs. Butler mit einer
Frau wie der rothaarigen Bridget Flaherty befreundet war, ihnen aber die
ausgesuchtesten Kränkungen zufügte.
    Auch die
intimen Freundinnen mußten sich jedoch von Scarlett viel gefallen lassen. Sie
nahmen es indessen gern in Kauf.

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