Margaret Mitchell
keines von meinen Kleidern hinein.«
»Dann
reißen die Schnüre«, sagt Lou. »Missis sind eben dicker geworden, dabei ist
nichts zu machen.«
»Dabei ist
doch etwas zu machen«, dachte Scarlett bei sich, als sie wütend die Nähte ihres
Kleides auseinanderriß, um die fehlenden Zentimeter auszulassen. »Ich bekomme
eben keine Kinder mehr.«
Bonnie war
wirklich ein hübsches Baby und machte ihr Ehre. Rhett vergötterte die Kleine,
aber mehr Kinder wollte Scarlett nicht haben. Wie sie das anfangen wollte, war
ihr allerdings nicht recht klar, denn mit Rhett wurde man nicht so leicht
fertig wie mit Frank, Rhett hatte keine Angst vor ihr und machte sicher
Schwierigkeiten. Da er so vernarrt in Bonnie war, würde er sicher nächstes Jahr
einen Jungen haben wollen, wenn er auch noch soviel davon schwatzte, er wolle
jeden Jungen, den sie ihm schenkte, ertränken. Nun, sie wollte ihm ganz gewiß
keinen schenken und auch kein Mädchen mehr. Drei Kinder waren für eine Frau
genug.
Als Lou
die Nähte wieder zusammengenäht und geglättet und Scarlett das Kleid zugeknöpft
hatte, bestellte sie den Wagen und fuhr zum Holzlager hinaus. Auf der Fahrt
wurde sie bald guten Mutes und vergaß ihre Taille, denn im Lager wollte sie
Ashley sprechen und die Bücher mit ihm durchsehen. Wenn sie Glück hatte, traf
sie ihn allein an. Es war Wochen vor Bonnies Geburt gewesen, daß sie ihn
zuletzt gesehen hatte. In ihrem hochschwangeren Zustand hatte sie ihn auch gar
nicht sehen wollen. Während dieser ganzen Zeit aber hatte sie das tägliche
Zusammentreffen mit ihm doch sehr vermißt, ebenso die Tätigkeit im Geschäft und
das Gefühl der Wichtigkeit, das damit verbunden war. Sie brauchte natürlich
nicht mehr zu arbeiten. Sie hätte die Mühlen leicht verkaufen und das Geld für
Wade und Ella anlegen können. Aber dann hätte sie Ashley so gut wie gar nicht
mehr gesehen, nur noch auf Gesellschaften und unter vielen anderen Leuten. Mit
Ashley zusammen zu arbeiten aber war ihre größte Freude.
Als sie
sich dem Lager näherte, sah sie mit Wohlgefallen, wie hoch das Holz gestapelt
dalag und wie viele Kunden anwesend waren und sich mit Hugh Elsing
unterhielten. Sechs Maultiergespanne waren da, und sechs Wagen wurden von den
schwarzen Fahrern beladen. »Sechs Gespanne«, dachte sie stolz. »Das habe ich
alles allein zustande gebracht.«
Ashley kam
an die Tür des kleinen Kontors, seine Augen strahlten, sie wiederzusehen. Er
half ihr aus dem Wagen und rührte sie hinein, als wäre sie eine Königin.
Aber ihre
Freude wurde ein wenig getrübt, als sie die Bücher mit ihm durchging und sie
mit denen Johnnie Galleghers verglich. Ashley hatte nur knapp seine Unkosten
gedeckt, und Johnnie hatte einen ansehnlichen Gewinn herausgewirtschaftet. Sie
hütete sich, etwas zu sagen, als sie die Seiten miteinander verglich, aber
Ashley sah es ihrem Gesicht an.
»Scarlett,
es tut mir leid, ich kann nur sagen, du hättest mich lieber mit freien
Schwarzen arbeiten lassen sollen als mit Sträflingen. Ich glaube, mit ihnen käme
ich besser zurecht.«
»Schwarze!
Aber ihr Lohn richtet uns ja zugrunde! Sträflinge sind spottbillig. Wenn
Johnnie soviel mit ihnen leistet ... «
Ashleys
Augen blickten ihr über die Schulter hinweg auf etwas, das sie nicht sah, und
die Freude darin war erloschen.
»Ich kann
nicht mit Sträflingen wirtschaften wie Johnnie Gallegher. Ich kann keine
Menschen schinden.«
»Heiliger
Strohsack! Johnnie versteht es wunderbar. Ashley, du bist eben zu weichherzig.
Johnnie hat mir gesagt, sobald sich jemand um die Arbeit drücken wolle, melde
er sich bei dir krank und du gebest ihm einen Tag frei. Du lieber Gott! So
verdient man kein Geld. Wenn es nicht gerade ein gebrochenes Bein ist, heilt
man fast jede Krankheit am besten durch eine Tracht Prügel.«
»Scarlett,
hör auf! Ich kann das von dir nicht hören!« rief Ashley, und seine Augen
kehrten voller Zorn zu ihr zurück, daß sie kurz abbrach. »Ist dir denn nicht
klar, daß es Menschen sind, darunter kranke, unterernährte, verelendete ...
ach, Scarlett, ich kann es nicht mit ansehen, wie du durch ihn verrohst, die du
immer so lieb warst ... «
»Wie ...
ich ... durch ihn? Was?«
»Ja, ich
muß es dir sagen, wenn ich auch kein Recht dazu habe. Bei Rhett Butler. Alles,
was er anrührt, vergiftet er. Und nun hat er dich genommen, du Liebe,
Großherzige, Sanfte, denn das warst du trotz aller deiner Keckheit und hat dies
aus dir gemacht ... hartherzig und unmenschlich bist du bei ihm
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