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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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drückte.
    »Das kann
man«, erwiderte Rhett fest. »Genauso, wie du Mutters Junge sein kannst und
außerdem Tante Mellys.«
    Das
leuchtete Wade ein. Dabei konnte er sich etwas denken.
    Er
lächelte und rieb sich schüchtern an Rhetts Arm.
    »Du
verstehst was von kleinen Jungens, nicht wahr, Onkel Rhett?«
    Rhetts
dunkles Gesicht bekam wieder die alten scharfen Furchen, und seine Lippen
zuckten.
    »Ja«,
sagte er bitter, »das tue ich.«
    Plötzlich
verspürte Wade wieder Angst, und etwas wie Eifersucht überkam ihn. Onkel Rhett
dachte gar nicht an ihn, sondern an jemand anders.
    »Hast du denn noch mehr kleine
Jungens?« Rhett stellte ihn wieder auf die Füße.
    »Ich will
noch einen Schluck trinken, und das sollst du auch, Wade, deinen ersten Schluck
Wein auf die Gesundheit der neuen kleinen Schwester.«
    »Hast du
noch mehr ...«, fing Wade wieder an. Dann sah er Rhett die Rotweinkaraffe in
die Hand nehmen und vergaß alles andere darüber, daß er nun mit einem Glas Wein
anstoßen sollte wie die Großen.
    »Ach, ich
darf ja nicht, Onkel Rhett. Ich habe Tante Melly versprochen, solange nicht zu
trinken, bis ich mit der Universität fertig bin, und wenn ich es bis dahin
nicht tue, schenkt sie mir eine Uhr.«
    »Und ich
schenke dir eine Kette dazu, diese hier, die ich trage, wenn du willst«, sagte
Rhett und lächelte wieder. »Tante Melly hat ganz recht, aber sie hat von
Schnaps gesprochen und nicht von Wein. Wein trinken wie ein Gentleman mußt du
lernen, mein Sohn, und dies ist gerade der richtige Tag, damit anzufangen.«
    Sorgsam
verdünnte er den Rotwein mit Wasser, bis das Getränk nur noch einen leichten roten
Schimmer hatte, dann gab er Wade das Glas. In diesem Augenblick kam Mammy ins
Eßzimmer. Sie hatte sich umgezogen und trug ihr bestes schwarzes Sonntagskleid
mit frisch gestärkter Schürze und Haube. Als sie hereingewatschelt kam, wiegte
sie sich fortwährend in den Hüften, und in ihren Röcken rauschte und raschelte
es wie Seide. Ein breites Lächeln entblößte ihren fast zahnlosen Kiefer.
    »Gratuliere
auch, Mister Rhett«, sagte sie.
    Wade
stockte mit dem Glase an seinen Lippen. Mammy hatte doch den Stiefvater nie
leiden können. Nie hatte sie ihn anders angeredet als »Kap'n Butler« und war
nie anders als würdevoll und kühl gegen ihn gewesen. Nun stand sie strahlend
vor ihm und nannte ihn »Mister Rhett«. Heute stand aber auch alles auf dem
Kopf.
    »Du nimmst
wohl lieber Rum als Rotwein«, sagte Rhett und holte eine kleine dicke Flasche
aus dem Schrank. »Ist es nicht ein prachtvolles Baby?«
    »Das ist
es«, antwortete Mammy und schmatzte, als sie das Glas nahm.
    »Hast du
schon einmal ein so schönes gesehen?«
    »Nun, Miß
Scarlett war wohl auch beinahe so schön, als sie kam, aber doch nicht ganz.«
    »Noch ein
Glas! Hör mal, Mammy ...« Es klang streng, aber er zwinkerte mit den Augen:
»Was hör' ich denn da rascheln?«
    »Ach Gott,
Mister Rhett, das ist doch nur mein rotseidener Unterrock«, kicherte Mammy und
drehte sich, bis ihr mächtiger Körper wackelte.
    »Nur dein
Unterrock? Das glaube ich nicht. Es hört sich ja an wie ein ganzer Sack voll
welker Blätter. Zeig mal her. Heb mal deinen Rock hoch.«
    »Ach,
Mister Rhett, Sie sind ein Schlimmer! O Gott!«
    Mammy
quiekte ein bißchen, trat zurück, hob in einer Entfernung von einem Meter
sittsam ihr Kleid um ein paar Zoll in die Höhe und ließ die Rüsche eines roten
Taftunterrockes sehen.
    »Du hast
aber lange gebraucht, bis du ihn angezogen hast«, knurrte Rhett, in seinen
schwarzen Augen jedoch lachte es.
    »Ja,
Master, viel zu lange.«
    Dann sagte
Rhett etwas, was Wade nicht verstand.
    »Kein
Maultier im Pferdegeschirr mehr?«
    »Mister
Rhett, das war aber schlecht von Miß Scarlett, daß sie Ihnen das weitergesagt
hat. Sie wollen es doch einer alten Niggerfrau nicht nachtragen?«
    »Nein, ich
trage es dir nicht nach. Ich wollte nur wissen, wie wir jetzt miteinander
stehen. Trink noch ein Glas, Mammy, du kannst die ganze Flasche bekommen.
Trink, Wade, stoß mit uns an.«
    »Schwesterchen
soll leben!« rief Wade und trank das Glas leer. Er verschluckte sich, es gab
ein großes Gehuste und Gekrächze, und die beiden anderen klopften ihm lachend
auf den Rücken.
     
    51
     
    Von dem
Augenblick an, da Rhett die Tochter geboren war, wunderten sich alle, die ihn
sahen, über ihn, und manches feststehende Urteil über ihn geriet ins Wanken.
Wer hätte es gedacht, daß gerade er so ungeniert und offenherzig seinen
Vaterstolz zeigen

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