Margaret Mitchell
Rhett?«
»Ja«,
sagte Rhett mit plötzlicher Heftigkeit. »Ich war im Krieg, und acht Monate lang
bin ich an der Front gewesen. Die ganze Zeit von Lovejoy bis Franklin in Tennessee.
Ich war auch dabei, als Johnston sich ergab.« Wade machte ein glückliches
Gesicht, aber Scarlett lachte.
»Ich
dachte, du schämtest dich deiner Kriegsdienstzeit«, sagte sie. »Du hast mir
doch gesagt, ich sollte nichts davon erzählen.«
»Still«,
erwiderte er kurz. »Bist du nun zufrieden, Wade?«
»Ja, Onkel
Rhett. Ich wußte ja, daß du im Kriege gewesen bist. Du warst nicht bange, wie
die Jungens sagen. Aber warum bist du nicht mit den Vätern der anderen Jungens
zusammen gewesen?«
»Weil die
Väter der anderen kleinen Jungen so dumm waren, daß sie in die Infanterie
gesteckt werden mußten. Ich kam aus der Kriegsschule und mußte deshalb zur
Artillerie, zur aktiven Artillerie, nicht in die Landwehr. Man muß schon
allerhand können, wenn man bei der Artillerie ist.«
»Das kann
ich mir denken«, sagte Wade mit strahlendem Gesicht. »Bist du verwundet worden,
Onkel Rhett?«
Rhett
zögerte.
»Erzähl
ihm doch von deiner Ruhr«, höhnte Scarlett.
Rhett
setzte die Kleine behutsam auf den Fußboden und zog Hemd und Unterhemd aus dem
Hosenbund. »Komm her, Wade, ich will dir zeigen, wo ich verwundet worden bin.«
Aufs
höchste gespannt kam Wade näher und folgte Rhetts Finger mit den Augen. Eine
lange, hervortretende Narbe lief ihm quer über die braune Brust bis hinunter
auf den muskulösen Unterleib. Es war ein Andenken an eine Messerstecherei in
den kalifornischen Goldfeldern, aber das wußte Wade nicht. Er atmete schwer vor
lauter Glück.
»Du bist
wohl auch so tapfer gewesen wie mein Vater, Onkel Rhett?«
»Beinahe,
aber ganz nicht«, erwiderte Rhett und stopfte sich das Hemd in die Hose. »Nun
aber lauf und kauf dir etwas Schönes für deinen Dollar und prügle mir jeden
Jungen windelweich, der behauptet, ich wäre nicht an der Front gewesen.«
Wade
sprang vergnügt hinaus und rief Pork, und Rhett nahm die Kleine wieder an sich.
»Wozu nun
all die Lügen, mein tapferer Krieger?« fragte Scarlett.
»Ein Junge
muß stolz auf seinen Vater sein ... und auf seinen Stiefvater auch. Er soll
sich nicht vor den anderen Schlingern schämen. Kinder sind doch grausam! ...
Ich habe nie darüber nachgedacht, wieviel das bedeutet«, fügte er nachdenklich
hinzu. »Er wird sicher schon sehr darunter gelitten haben. Für Bonnie muß das
anders werden.«
»Was muß
anders werden?«
»Meinst
du, meine Bonnie solle sich ihres Vaters schämen? Nicht auf Gesellschaften
eingeladen werden, wenn sie neun oder zehn Jahre ist? Meinst du, ich wollte sie
solchen Demütigungen aussetzen wie Wade für etwas, das nicht ihre, sondern
deine und meine Schuld ist?«
»Ach,
Kindergesellschaften!«
»Aus
Kindergesellschaften wird der erste Ball. Meinst du, ich lasse meine Tochter
abseits von allem aufwachsen, was in Atlanta zu den guten Familien gehört? Ich
habe nicht die Absicht, sie nach Norden zu schicken, damit sie dort zur Schule
und auf Gesellschaften geht ... nur weil sie hier und in Charleston, Savannah
oder New Orleans nicht empfangen wird. Sie soll nicht gezwungen sein, einen
Yankee oder einen Fremden zu heiraten, weil keine gute Familie aus dem Süden
sie haben will, weil ihre Mutter ein törichtes Frauenzimmer und ihr Vater ein
Schuft war.«
Wade war
wieder an die Tür gekommen und hatte die Worte voller Neugierde und
Betroffenheit mit angehört.
»Bonnie
kann doch Beau heiraten, Onkel Rhett!«
Der Zorn
wich aus Rhetts Gesicht, als er sich nach dem Kleinen umdrehte. Mit offenbarem
Ernst, wie immer, wenn er mit Kindern zu tun hatte, ging er darauf ein.
»Wahrhaftig,
du hast recht, Wade. Bonnie kann Beau Wilkes heiraten. Und wen nimmst du?«
»Oh, ich
heirate niemand«, sagte Wade ernsthaft und schwelgte in dem Genuß einer
Unterhaltung von Mann zu Mann. Außer Tante Melly war Onkel Rhett der einzige,
der nie an ihm herumerzog, sondern ihm immer Mut machte. »Ich gehe nach Harvard
und werde ein Rechtsanwalt wie mein Vater, und dann werde ich ein tapferer
Soldat, genau wie er.«
»Wenn
Melly doch nur ihren Mund halten wollte«, ereiferte sich Scarlett. »Wade, du
gehst mir nicht nach Harvard. Das ist eine Yankeeschule. Du gehst in die
Georgia-Universität, und wenn du damit fertig bist, kannst du das Geschäft
übernehmen, und ob Vater ein tapferer Soldat war ...«
»Still!«
sagte Rhett scharf. Ihm war der strahlende Glanz in
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