Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
anderes als kaltes Wasser übel und schwach.
    Wie leicht
war es, ein Kind zu bekommen - aber es nicht zu bekommen, wie schwer! Seltsam,
wie es sie in all ihren Schmerzen immer durchfuhr, daß dieses Kind nun nicht
zur Welt kommen sollte. Seltsam noch, daß es das erste Kind war, auf das sie
sich wirklich gefreut hatte. Sie suchte darüber nachzudenken, aber ihr Kopf war
zu müde. In ihm hatte nur eins Raum: die Angst vor dem Tode. Der Tod war in
ihrem Zimmer, und sie hatte nicht die Kraft, ihm die Stirn zu bieten. Sie hatte
Angst. Sie brauchte jemand Starkes, der ihr beistand, der ihr die Hand hielt
und den Tod abwehrte, bis sie wieder kräftig genug war, ihren Kampf selber zu
kämpfen.
    Ihre Wut
war in den Schmerzen untergegangen, und sie verlangte nach Rhett. Aber er war
nicht da. Sie konnte es nicht über sich gewinnen, ihn kommen zu lassen.
    Ihre
letzte Erinnerung an ihn war sein Gesicht in dem Augenblick, da er sie unten an
der Treppe im dunklen Flur aufhob, ein bleiches Gesicht, in dem die furchtbare
Angst alles andere ausgelöscht hatte. Dabei hatte er mit heiserer Stimme nach
Mammy gerufen. Sie entsann sich dunkel, daß sie hinauf getragen wurde; was dann
geschehen war, wußte sie nicht mehr. Seitdem gab es nur Schmerzen und immer
wieder Schmerzen, flüsternde Stimmen im Zimmer, Tante Pittys Schluchzen, Dr.
Meades barsche Anweisungen, eilige Schritte auf der Treppe, die dann über den
Flur geschlichen kamen, und zuletzt wie ein blendender Blitzstrahl die
Erkenntnis der Todesnähe, die Angst, aus der sie plötzlich laut, laut einen
Namen rufen wollte. Aber aus dem Schrei wurde nur ein Flüstern.
    Doch auf
das hilflose Flüstern kam sofort Antwort irgendwoher aus der Dunkelheit neben
dem Bett, und die leise Stimme, nach der sie verlangt hatte, wiegte sie
gleichsam ein.
    »Hier bin
ich, Liebes. Ich bin doch die ganze Zeit bei dir.«
    Angst und
Tod wichen leise zurück, als Melanie ihre Hand nahm und sie sich sanft an die
kühle Wange legte. Scarlett versuchte sich umzudrehen und ihr Gesicht zu sehen,
aber sie konnte es nicht. Melly sollte ein Kind bekommen, die Yankees kamen.
Die Stadt war ein Flammenmeer, sie mußten fliehen. Aber Mellys Kind kam, sie
konnte nicht fort, sie mußte dableiben, bis das Kind da war, und stark sein,
weil Melly ihre Kraft brauchte. Melly hatte solche Schmerzen. Glühende Zangen
zwickten sie, Messer folterten sie, sie mußte Mellys Hand halten.
    Aber Dr.
Meade war doch gekommen, obwohl ihn die Soldaten auf dem Bahnhof so nötig
brauchten. Er sagte: »Sie phantasiert. Wo ist Kapitän Butler?«
    Die Nacht
war dunkel und dann wieder hell. Manchmal lag sie selbst in Wehen, manchmal war
es Melanie, die schrie, aber die ganze Zeit war Melly bei ihr, ihre Hände waren
kühl, sie schluchzte nicht und fuchtelte nicht sinnlos umher wie Tante Pitty.
Sobald Scarlett die Augen aufschlug, sagte sie: »Melly?«, und die Stimme
antwortete. Gewöhnlich begann sie dann zu flüstern: »Rhett ... Rhett soll
kommen.« Aber dann erinnerte sie sich wie aus einem Traum, daß er nichts von
ihr wissen wollte.
    Rhetts
Gesicht war dunkel wie das eines Indianers und bleckte höhnisch die weißen
Zähne. Sie verlangte nach ihm, aber er wollte sie nicht.
    Einmal
sagte sie wieder: »Melly«, und Mammys Stimme antwortete: »Ich bin es bloß,
Kind«, und man legte ihr ein kaltes Tuch auf die Stirn. Sie aber jammerte:
»Melly, Melly!«, immer wieder. Doch eine ganze Weile kam Melanie nicht, denn
Melanie saß auf Rhetts Bertkante, er aber lag schluchzend und betrunken am
Boden mit dem Kopf in ihrem Schoß.
    Immer,
wenn Melanie aus Scarletts Zimmer gekommen war, hatte sie ihn bei weit offener
Tür auf seinem Bett sitzen und quer über den Flur die Tür des Krankenzimmers
anstarren sehen. Das Zimmer war unaufgeräumt, voller Zigarrenstummel und
unangerührter Speisen. Das Bett war zerwühlt, er saß darauf, unrasiert und
plötzlich ganz hager, und rauchte ohne Unterlaß. Er stellte nie eine Frage,
wenn er sie sah. Jedesmal blieb sie ein Weilchen in der Tür stehen und gab ihm
Nachricht: »Es tut mit leid, heute geht es weniger gut«, oder: »Nein, sie hat
noch nicht nach Ihnen gefragt, sie phantasiert ja noch«, oder: »Sie müssen
nicht die Hoffnung aufgeben. Ich mache Ihnen heißen Kaffee und bringe Ihnen
etwas zu essen. Sie machen sich noch selber krank.«
    Das Herz
krampfte sich ihr vor Mitleid zusammen, obwohl sie fast zu müde war, um
überhaupt noch etwas zu empfinden. Wie konnten nur die Leute immer schlecht
über

Weitere Kostenlose Bücher