Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
gekommen!«
    »Mein
Gott, ich bin wahnsinnig gewesen, all die Wochen wahnsinnig und betrunken, und
als sie es mir sagte, dort auf der Treppe ... was habe ich getan? Was habe ich
gesagt? Gelacht habe ich: >Gib die Hoffnung nicht auf, vielleicht wird es
eine Fehlgeburt< habe ich gesagt, und sie ...«
    Plötzlich
verfärbte sich Melanie, und ihre Augen wurden ganz groß vor Grauen, als sie auf
den gequälten schwarzen Kopf in ihrem Schoß herniederblickte. Die
Nachmittagssonne schien zum offenen Fenster herein, und plötzlich gewahrte sie
wie zum erstenmal seine großen braunen Hände mit den dichten schwarzen Haaren
darauf. Unwillkürlich schreckte sie davor zurück, so raubgierig und grausam
sahen sie aus, und doch so gebrochen und hilflos, wie sie da ihren Rock
umklammerten. War es denn möglich, daß er die schändlichen Lügen über Scarlett
und Ashley geglaubt hatte und eifersüchtig geworden war? Freilich, er hatte ja
die Stadt unmittelbar nach dem Ausbruch des Skandals verlassen. Aber nein, das
konnte nicht sein. Er ging doch oft so plötzlich auf Reisen. Den Klatsch konnte
er nicht geglaubt haben. Dazu war er zu klug, und hätte ihm das ans Herz
gegriffen, so hätte er gewiß versucht, Ashley zu erschießen; wenigstens aber
hätte er Aufklärung verlangt.
    Nein, das
konnte es nicht sein. Es kam wohl nur daher, daß er betrunken und vor Kummer
krank war und seine Gedanken wie in Fieberphantasien mit ihm durchgingen.
Solche Anspannungen konnten Männer nicht so gut ausholten wie Frauen. Etwas
hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Vielleicht hatte er mit Scarlett eine
kleine Meinungsverschiedenheit gehabt, die er nun vergrößerte. Vielleicht war
einiges von dem Fürchterlichen, das er erzählte, sogar wahr, aber alles konnte
nicht wahr sein - das letzte sicherlich nicht! Das konnte kein Mann zu einer
Frau sagen, die er so leidenschaftlich liebte, wie dieser Mann hier Scarlett
liebte. Melanie hatte nie das Böse und Grausame gesehen; nun sah sie es zum
erstenmal, und es war ihr so unbegreiflich, daß sie es nicht glauben konnte. Er
war betrunken und krank, und mit kranken Kindern mußte man Nachsicht haben.
    »So, so«,
summte sie. »Ganz still, ich verstehe schon.«
    Heftig hob
er den Kopf, blickte sie aus seinen blutunterlaufenen Augen an und schleuderte
gewaltsam ihre Hände weg.
    »Nein,
beim Himmel, Sie verstehen mich nicht! Das können Sie nicht verstehen! Um das
zu verstehen, sind Sie zu gut. Sie glauben mir nicht ... aber es ist alles
wahr. Ich bin ein Schwein. Wissen Sie auch, warum ich es getan habe? Aus Wut.
Ich war verrückt vor Eifersucht. Sie hat sich nie etwas aus mir gemacht, und
ich dachte, ich könnte sie dazu zwingen. Ich war ihr immer gleichgültig. Sie
liebt mich nicht. Sie hat mich nie geliebt. Sie liebt ... «
    Sein
leidenschaftlicher, trunkener Blick begegnete ihren Augen, und mit offenem Mund
hielt er inne, als begriffe er erst jetzt, mit wem er sprach. Ihr Gesicht war
bleich und abgespannt, aber ihre Augen waren ruhig und lieb, voller Mitleid,
ganz und gar ungläubig. Eine leuchtende Klarheit lag darin, und die Unschuld
aus ihrer sanften braunen Tiefe traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht, so daß
sich der Alkohol in seinem Hirn verflüchtigte und er mitten in seinem tollen,
rasenden Wortschwall innehielt. Es verklang im Gemurmel, er senkte die Augen
und rang nach Fassung.
    »Ich bin
ein Schwein«, stammelte er und ließ den Kopf müde in ihren Schoß zurücksinken,
»aber ein solches Schwein bin ich doch nicht, und wenn ich es Ihnen sagte, Sie
glaubten es mir ja doch nicht, nicht wahr? Sie sind zu gut, um es mir zu
glauben. Ich habe noch nie jemand gekannt, der wirklich gut war. Sie würden es
mir nicht glauben, nicht wahr?«
    »Nein, ich
würde es Ihnen nicht glauben«, sagte Melanie beruhigend und begann wieder, sein
Haar zu streicheln. »Sie wird wieder gesund. Nein, Kapitän Butler, nicht
weinen! Sie wird ja wieder gesund.«
     
    57
     
    Einen
Monat später setzte Rhett eine blasse, magere Frau in den Zug nach Jonesboro.
Wade und Ella, die mitreisen sollten, waren schweigsam. Das stille weiße
Gesicht der Mutter war ihnen nicht geheuer. Sie drängten sich an Prissy; sogar
für ihr Kindergemüt hatte die unpersönliche Kühle zwischen der Mutter und dem
Stiefvater etwas Beklemmendes.
    Obwohl
Scarlett noch sehr schwach war, fuhr sie doch nach Tara heim. Sie hatte das
Gefühl, ersticken zu müssen, wenn sie noch einen Tag länger in Atlanta bliebe
und ihr müder Geist immer erneut die

Weitere Kostenlose Bücher