Margaret Mitchell
glücklich war? Und jetzt? Du
hast dein gemütliches Heim und eine gesicherte Zukunft, und wer wohnt so hübsch
wie ich? Wer zieht sich so gut an, wer hat so schöne Pferde? Ich führe ein
großes Haus, man speist elegant bei mir, meine Kinder haben alles, was sie
brauchen. Wie bin ich denn zu all dem Gelde gekommen, das mir das ermöglicht
hat? Habe ich es vom Baume geschüttelt? O nein! Sträflinge, Kneipenverpachtung
...«
»Und
vergiß auch nicht den ermordeten Yankee«, warf Rhett sanft ein. »Er hat dich
zuerst auf die Füße gestellt.«
Scarlett
fuhr herum, Zornesworte auf den Lippen.
»Und das
Geld hat dich sehr, sehr glücklich gemacht, nicht wahr, mein Herz?« fragte er
mit giftig süßem Ton.
Scarlett
blieb der Mund offenstehen, sie schaute von einem zum andern. Melanie weinte
fast vor Verlegenheit, Ashley war auf einmal blaß und in sich zurückgezogen,
und Rhett betrachtete sie über die Zigarre hinweg mit sachlichem Vergnügen. Sie
setzte an zu dem Ausruf: »Natürlich, wie sollte es mich nicht glücklich gemacht
haben!«
Aber
merkwürdig, sie brachte kein Wort über die Lippen.
In diesen
Wochen nahm Scarlett an Rhett eine Veränderung wahr und wußte nicht recht, ob
sie ihr eigentlich gefiel. Er war nüchtern und ruhig und offenbar mit seinen
Gedanken ganz woanders. Er kam viel öfter zum Abendessen nach Hause als sonst,
behandelte die Dienstboten freundlicher und beschäftigte sich liebevoller auch
mit Wade und Ella. Nie spielte er auf Vergangenes an, Erfreuliches oder
Unerfreuliches, und wartete anscheinend im stillen ab, ob sie sich daran wagen
wolle oder nicht. Scarlett aber hütete ihre Zunge. Es war so viel leichter,
sich mit dem erträglichen Heute abzufinden, und das Leben verlief äußerlich
ruhig und glatt. Die unpersönliche Höflichkeit, mit der er sie während ihrer
Genesungszeit behandelt hatte, behielt er bei und verzichtete darauf, ihr hin
und wieder in sanften Tönen einen Stich zu versetzen und ihr mit seinem Spott
weh zu tun. Jetzt ging ihr auf, daß er sie früher zwar mit seinen boshaften
Glossen oft in Wut gebracht und zu hitzigen Ausfällen angestiftet, zugleich
aber doch damit bewiesen hatte, daß ihm an dem, was sie sagte und tat, gelegen
war. Sie fragte sich, ob ihm das nun alles ganz gleichgültig geworden sei. Er
war höflich, aber ohne jedes Interesse, und sie vermißte seine Anteilnahme, auch
wo sie boshaft gewesen war, sie vermißte die alten scharfen Wortgefechte auf
Hieb und Stich.
Er war
jetzt fast so zuvorkommend gegen sie wie gegen eine Fremde. Wie seine Augen früher
ihr gefolgt waren, so folgten sie jetzt Bonnie, als sei der wilde Strom seines
Lebens in einen einzigen engen Kanal abgelenkt worden. Manchmal meinte
Scarlett, das Leben hätte ganz anders ausfallen können, wenn Rhett ihr nur halb
soviel Zärtlichkeit gegönnt hätte wie Bonnie. Manchmal fiel es ihr schwer zu
lächeln, wenn die Leute sagten: »Wie er doch das Kind vergöttert!« Lächelte sie
aber nicht, so erregte sie Anstoß, und auch sie selber gestand sich nicht gern
ein, auf ein kleines Mädchen, und nun gar auf ihre leibhaftige Lieblingstochter
eifersüchtig zu sein. Scarlett wollte immer in den Herzen ihrer Nächsten die
Erste sein, und jetzt kam es zutage, daß Rhett und Bonnie einander auf alle
Zeiten die liebsten waren.
Rhett kam
abends oft spät, aber immer nüchtern nach Hause. Oft hörte sie ihn leise vor
sich hin pfeifen, wenn er an ihrer geschlossenen Tür vorbeiging. Manchmal kamen
Herren mit ihm spät nach Hause, saßen im Eßzimmer um die Schnapskaraffe und
unterhielten sich. Es waren nicht mehr dieselben wie in den ersten Jahren ihrer
Ehe. Keine reichen Schieber, Gesinnungslumpen und Republikaner kamen mehr ins
Haus. Scarlett schlich manchmal auf Zehenspitzen ans Treppengeländer, horchte
hinunter und hörte zu ihrer höchsten Verwunderung die Stimmen Rene Picards,
Hugh Elsings, der Simmons oder Andy Bonnells. Großpapa Merriwether und Onkel
Henry waren jedesmal dabei. Einmal hörte sie zu ihrem Erstaunen sogar Dr.
Meade. Und früher hatten alle die Herren den Galgen noch zu gut für Rhett
gefunden!
Für sie
war dieser Kreis für immer mit Franks Tode verknüpft, und Rhetts spätes
Heimkommen gemahnte sie lebhaft an die Zeit vor der Unternehmung des Klans, bei
der Frank umgekommen war. Voller Grauen gedachte sie der Bemerkung Rhetts, er
wolle sogar ihrem verdammten Klan beitreten, um ein ehrbarer Bürger zu werden,
wenn er auch hoffe, Gott werde ihm eine so schwere Buße
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