Margaret Mitchell
Herzen
eingebüßt hatte. Wenn sie aber die Mühlen verkaufte ...
Nein, sie
hatte es nicht wollen. Aber die wenig schmeichelhafte, wenn auch völlig
wahrheitsgetreue Art, in der Rhett sie Ashley dargestellt hatte, war ein
Stachel, der sie nun einmal zum Entschluß trieb. Ashley sollte die Mühlen
haben, und zwar zu einem so niedrigen Preis, daß er gar nicht anders konnte als
ihre Großzügigkeit bewundern. »Ich verkaufe sie«, rief sie wütend. »Was sagst
du dazu?« Eine Spur von Triumph lag in Rhetts Augen, als er sich bückte, um
Bonnie das Schuhband zuzubinden.
»Es wird
dich noch reuen«, sagte er.
Schon
jetzt reuten sie die hastigen Worte. Hätte sie sie an irgend jemand anders
gerichtet, sie hätte sie widerrufen, ohne sich dessen zu schämen. Warum war sie
nur damit herausgeplatzt? Mit zornig gefurchter Stirn sah sie Rhett an. Er
beobachtete sie mit seinem alten wachsamen Blick wie die Katze das Mauseloch.
Als er ihre finstere Miene gewahrte, lachte er, daß seine weißen Zähne
blitzten. Scarlett hatte das unbestimmte Gefühl, ihm in eine Falle gegangen zu
sein.
»Hast du
etwa deine Finger darin?« fragte sie argwöhnisch.
»Ich?« In
gespieltem Erstaunen zog er die Augenbrauen hoch. »Mich solltest du doch besser
kennen. Ich tue nie in aller Welt etwas Gutes, wenn ich es irgend vermeiden
kann.«
58
Am selben
Abend noch verkaufte sie Ashley die Mühlen mit den gesamten Anteilen, die sie
daran hatte. Sie machte dabei nicht einmal ein schlechtes Geschäft. Ashley schlug
ihre erste, niedrige Forderung aus und hielt sich an den höchsten Preis, der
ihr je dafür geboten worden war. Als sie dann den Vertrag unterschrieben hatte
und die Mühlen endgültig los war, als Melanie Rhett und Ashley ein Glas Wein
reichte, um den Abschluß würdig zu begehen, kam Scarlett sich so verloren vor,
als habe sie eins ihrer Kinder verkauft.
Die Mühlen
waren ihre Lieblinge, ihr ganzer Stolz gewesen, das Werk ihrer kleinen
tatkräftigen Hände. Mit einer bescheidenen Mühle hatte sie angefangen, damals
in den bösesten Tage der Not, da Atlanta sich aus einem Trümmerhaufen mühsam
emporzuringen begann. Unter Kämpfen und Listen hatte sie ihr Werk über die
dunkle Zeit hinübergerettet, da die Yankees sie ständig zu rauben drohten, das
Geld entwertet war und die besten Männer an die Wand gestellt wurden. Jetzt
begannen die Narben sich zu schließen, neue Gebäude wuchsen überall empor,
jeder Tag führte der Stadt frisches Blut zu; jetzt hatte Scarlett zwei schöne
Mühlen, zwei Holzlager und ein Dutzend Maultiergespanne. Der Abschied ging ihr
so nahe, als schlösse sich für immer eine Tür und trennte sie von einem Teil
ihres Lebens, von einem harten und rauhen Abschnitt, an den sie mit einer
solchen Befriedigung zurückdachte, daß es dem Heimweh nahekam.
Sie hatte
das Geschäft aufgebaut, und nun hatte sie es verkauft. Was sie vor allem
bedrückte, war die Gewißheit, daß Ashley alles wieder verlieren würde, sobald
sie das Steuer nicht mehr in der Hand hielt. Ashley traute jedem und wußte
selber noch immer kaum die Brettersorten zwei-zu-vier und sechs-zu-acht zu
unterscheiden. Nun konnte sie ihm nicht mehr mit ihrem Rat beistehen, nur weil
Rhett ihm gesagt hatte, sie habe die Neigung, ihre Nase in alles
hineinzustecken.
»Der
verwünschte Rhett«, dachte sie bei sich, und als sie ihn beobachtete,
verstärkte sich in ihr die Überzeugung, daß er die ganze Geschichte eingefädelt
habe. Wie und warum, wußte sie freilich nicht. Er sprach mit Ashley, und es
fielen Worte, bei denen sie auf einmal scharf aufhorchen mußte.
»Sie werden
nun wohl die Sträflinge auf der Stelle zurückschicken?« sagte er.
Die
Sträflinge zurückschicken, wie kam er darauf? Rhett wußte doch ganz genau, daß
die Mühlen nur bei der billigen Sträflingsarbeit Gewinn abwerfen konnten; wie
kam er dazu, sich so bestimmt über Ashleys künftige Handlungsweise zu äußern?
»Ja, sie
gehen sofort«, erwiderte Ashley und vermied es, Scarlett anzusehen, die wie vom
Donner gerührt war.
»Hast du
den Verstand verloren?« fuhr sie ihm dazwischen. »Der ganze Gewinn, der dann
noch bleibt, wird für die Miete drauf gehen; und was für Arbeiter sind sonst
überhaupt zu bekommen?«
»Ich
stelle freie Schwarze ein«, sagte Ashley.
»Freie
Schwarze? Dummes Zeug! Du weißt doch, was für hohe Löhne die kosten! Außerdem
hast du dann keine Minute Ruhe vor den Yankees, die dir auf die Finger sehen,
ob du den Leuten auch dreimal täglich
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