Margaret Mitchell
sicher im Norden saß.
Als acht
Tage nach seiner Flucht sein Rücktritt bekannt gegeben wurde, herrschte in
Atlanta die freudigste Erregung. Auf den Straßen drängte sich die
Menschenmenge, die Männer schüttelten einander lachend die Hände und wünschten
sich Glück. Damen fielen einander um den Hals und weinten. Überall wurden zur
Feier des Ereignisses Gesellschaften gegeben. Die Feuerwehr hatte alle Hände
voll zu tun, die um sich greifenden Freudenfeuer der jubelnden kleinen Jungen
zu löschen.
Aus dem Gröbsten
war man heraus. Mit dem »Wiederaufbau« war es nun bald vorbei. Allerdings war
der stellvertretende Gouverneur ebenfalls ein Republikaner, aber im Dezember
war Neuwahl, und an dem Ergebnis bestand nirgends ein Zweifel. Als es dann
soweit war, bekam Georgia trotz der verzweifelten Anstrengungen der
Republikaner wieder seinen demokratischen Gouverneur.
Die
freudige Aufregung war allgemein, aber die Stimmung war doch noch anders als
nach Bullocks Flucht. Es war eine vernünftigere, herzlichere Freude, ein
Dankgefühl in tiefster Seele. Die Kirchen waren überfüllt, als die Geistlichen
Gott in Ehrfurcht für die Befreiung des Staates dankten. Auch Stolz mischte
sich in das freudige Hochgefühl, Stolz darauf, daß Georgia den Seinen
wiedergegeben war, trotz aller Ränke der Regierung in Washington, trotz der
Armee, der Schieber, der Gesinnungslumpen und Republikaner.
Siebenmal
hatte der Kongreß drakonische Gesetze gegen den Staat verabschiedet, die ihn in
dem Zustand einer eroberten Provinz erhalten sollten, dreimal hatte die Armee
alle bürgerlichen Rechte außer Kraft gesetzt. Die Neger hatten sich im
Parlament gute Tage gemacht, habgierige Leute von außerhalb hatten den Staat
heruntergewirtschaftet, Privatpersonen hatten sich an öffentlichen Geldern
bereichert. Quälereien und Gewalttaten aller Art hatte der Staat erlitten und
sich hilflos mit Füßen treten lassen müssen. Aber trotz allem war Georgia aus
eigener Kraft nun wieder zu sich selbst gekommen.
Nicht
jeder freute sich des plötzlichen Umschwungs. In den Reihen der Emporkömmlinge
herrschte Bestürzung. Geleits und Hundons hatten offenbar von Bullocks Flucht
Wind bekommen, ehe sein Rücktritt bekannt wurde, und die Stadt schleunigst
verlassen. Sie waren wieder in das Nichts verschwunden, aus dem sie aufgetaucht
waren. Ihre Spießgesellen, die in Atlanta zurückblieben, wurden ängstlich und
unsicher und hockten zusammen, um einander zu beruhigen in der Sorge, was wohl
bei den bevorstehenden Untersuchungen alles über ihre eigenen
Privatangelegenheiten ans Licht kommen würde. Jetzt waren sie nicht mehr
unverschämt, sondern bestürzt, ratlos und bange. Die Damen, die Scarlett
besuchten, sagten immer wieder:
»Wer hätte
das gedacht? Wir hatten den Gouverneur doch für zu mächtig gehalten. Wir
glaubten, er würde ewig bleiben. Wir meinten ... «
Scarlett
war nicht minder betroffen von der Wendung der Dinge, obwohl Rhett ihr
vorausgesagt hatte, wohin die Ereignisse steuerten. Sie war nicht etwa traurig
darüber, daß Bullock weg war und die Demokraten wiederkamen. Wenn es ihr auch
niemand glaubte, so freute sie sich doch grimmig darüber, daß das
Yankeeregiment endlich zusammengebrochen war. Ihre Nöte aus den ersten Zeiten
der Nachkriegsjahre waren ihr noch sehr frisch im Gedächtnis, ihre Sorge, Geld
und Eigentum durch die Soldaten und die Schieber zu verlieren. Sie dachte an
ihre Hilflosigkeit und all die Ängste zurück, die sie hatte ausstehen müssen,
an ihren Haß gegen die Yankees, die dem Süden dieses harte Joch auferlegt
hatten. Nie hatte sie aufgehört, sie zu hassen. Aber in dem Bestreben, zu
retten, was zu retten war und vollständig sicherzugehen, hatte sie sich zu den
Eroberern geschlagen, einerlei, wie sehr sie ihr zuwider waren. Sie hatte sie
in ihren Kreis gezogen und sich von ihren alten Freunden und alten Lebensgewohnheiten
losgesagt. Nun war es plötzlich mit der Macht der Sieger vorbei. Sie hatte
alles auf das Fortbestehen des Bullockschen Regimes gesetzt und hatte verloren.
Als sie
Weihnachten 1871 um sich schaute, in der glücklichsten Weihnachtszeit, die die
Stadt seit zehn Jahren erlebt hatte, machte sie sich schwere Sorgen. Sie sah,
daß Rhett, einst einer der verhaßtesten Männer von Atlanta, jetzt zu den
beliebtesten zählte. Er hatte seine republikanischen Ketzereien in Demut
widerrufen und seine Zeit, sein Geld, seine Arbeitskraft und seine Gaben dafür
eingesetzt, Georgia wieder aufzurichten. Wenn
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