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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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ein Mädchen nur zwei Seiten und auf
jeder nur Platz für einen einzigen Mann hat, und deshalb hatte sie vorgezogen,
sich abseits zu setzen und soviel Männer wie möglich um sich zu versammeln.
    Auf dem
Rasen in der Laube saßen die verheirateten Damen, ehrbar in ihren dunklen
Kleidern inmitten all der Lustigkeit und Buntheit ringsum. Wer verheiratet war,
einerlei in welchem Alter, fand sich für immer von den helläugigen Mädchen, den
Kavalieren und all ihrer Jugendlichkeit geschieden. Verheiratete Frauen, die
noch umworben wurden, gab es im Süden nicht. Von Großmama Fontaine, die von dem
Vorrecht ihres Alters, aufzustoßen, unbekümmerten Gebrauch machte, bis zu der
siebzehnjährigen Alice Munroe, die gegen die Übelkeit einer ersten
Schwangerschaft ankämpfte, hatten sie zu endlosen genealogischen und
gynäkologischen Gesprächen ihre Köpfe zusammengesteckt, was solche
Gesellschaften zu sehr willkommenen, unterhaltsamen Lehrkursen machte. Scarlett
sah von oben auf sie herab und fand, sie sähen aus wie ein Schwärm fetter Krähen.
    Verheiratete
Frauen durften sich nie amüsieren. Daß sie selbst, wenn Ashley sie heiratete,
auch ohne weiteres in die Lauben und in die Salons verbannt würde, zu den
gesetzten Matronen in glanzloser Seide, ausgeschlossen von Spaß und Spiel - der
Gedanke kam Scarlett nicht. Ihre Phantasie trug sie, wie die meisten Mädchen,
nur bis an den Altar und keinen Schritt darüber hinaus. Außerdem war sie jetzt
zu unglücklich, um solchen Vorstellungen nachzuhängen.
    Sie senkte
die Augen auf den Teller und aß zierlich von einem angebrochenen Biskuit mit
einer Eleganz und einem so völligen Mangel an Appetit, daß Mammy ihre Freude
daran gehabt hätte. Bei allem Überfluß an Verehrern hatte sie sich noch nie im
Leben so unglücklich gefühlt wie jetzt. Alle ihre Pläne von gestern abend waren
gescheitert. Zu Dutzenden hatten sich die Kavaliere zu ihr gesellt, nur Ashley
nicht, und all die Befürchtungen von gestern kamen wieder über sie. Ihr Herz
schlug bald rasch, bald träge, ihre Wangen waren einmal flammenrot, dann wieder
weiß. Ashley hatte keinerlei Anstalten gemacht, in ihren Bannkreis zu treten,
und seit ihrer Ankunft hatte sie keinen Augenblick unter vier Augen mit ihm
gehabt, ja, seit der ersten Begrüßung hatte sie überhaupt noch nicht mit ihm
sprechen können. Als sie den Hintergarten betrat, war er auf sie zugekommen,
aber mit Melanie am Arm, die ihm kaum bis zur Schulter reichte.
    Melanie
war ein zartgebautes, zierliches Mädchen, gleich einem Kind, das mit den viel
zu großen Reifröcken der Mutter Verkleiden spielt, eine Vorstellung, die durch
den scheuen, fast furchtsamen Blick ihrer großen Augen noch verstärkt wurde.
Die Wolke ihres dunklen lockigen Haares war unter einem Netz streng gefaßt,
eine dunkle Masse, die auf der Stirn in eine Spitze wie eine Witwenhaube
auslief und das herzförmige Gesichtchen noch herzförmiger erscheinen ließ. Mit
den zu breiten Backenknochen und dem allzu spitzen Kinn war es ein süßes,
schüchternes, aber keineswegs schönes Gesicht, und Melanie verstand nicht durch
weibliche Verführungskünste über seine Unscheinbarkeit hinwegzutäuschen. Sie
sah aus, wie sie war, schlicht wie die Erde, gut wie das Brot, durchsichtig wie
Quellwasser. Aber trotz dieser Unansehnlichkeit und der Kleinheit ihrer Gestalt
lag in ihren Bewegungen, eine gelassene Würde, die sie weit über ihre siebzehn
Jahre hob und ihr etwas seltsam Eindrucksvolles verlieh. Ihr graues
Organdykleid mit der kirschroten Atlasschärpe verhüllte in Rüschen und duftigen
Stoffwolken den kindlich unentwickelten Körper. Der gelbe Hut mit den langen
kirschroten Bändern ließ ihre elfenbeinfarbene Haut erglühen. In ihren braunen
Augen war etwas von dem stillen Glanz eines winterlichen Waldsees, aus dessen
Tiefe die dunklen Gewächse durch das ruhige Wasser heraufschimmern.
    Sie hatte
Scarlett mit schüchterner Zuneigung angelächelt und ihr gesagt, wie hübsch ihr
grünes Kleid sei, und es war Scarlett schwergefallen, auch nur höflich zu
antworten, so heftig war ihr Verlangen, mit Ashley allein zu sein. Seitdem
hatte Ashley auf einem Hocker zu Melanies Füßen gesessen, fern von den anderen
Gästen, hatte sich ruhig mit ihr unterhalten und dabei das leichte, versonnene
Lächeln gezeigt, das Scarlett so sehr an ihm liebte. Unter seinem Lächeln war
ein kleiner Funken in Melanies Augen aufgesprungen, und das machte die Sache
noch schlimmer, denn nun mußte sogar Scarlett

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