Margaret Mitchell
und
schließlich ist es nicht meine Schuld, wenn er mich hübscher findet als sie.
John
Wilkes kam die Treppe herunter und bot Scarlett den Arm. Als sie aus dem Wagen
stieg, bemerkte sie, wie Suellen plötzlich in ihren Bewegungen geziert wurde.
Sie mußte wohl Frank Kennedy irgendwo in der Menge entdeckt haben.
Schrecklich,
wenn man sich keinen besseren Verehrer einspannen kann als diese alte Jungfer
in Hosen! dachte sie verächtlich, als sie den Fuß auf den Boden setzte und John
Wilkes ihren Dank zulächelte. Frank Kennedy kam eilig an den Wagen, um Suellen
herauszuhelfen, worauf diese sich so stolz gebärdete, daß Scarlett sie hätte
ohrfeigen mögen. Mochte Frank Kennedy auch mehr Land sein eigen nennen als
irgendwer in der Provinz, mochte er auch ein sehr gutes Herz haben, was
bedeutete all das dagegen, daß er schon vierzig war, hager und nervös, und
einen dünnen gelbbraunen Backenbart trug und ein altjüngferliches,
umständliches Wesen hatte. Doch Scarlett dachte an ihr Vorhaben, schluckte die
Verachtung herunter und begrüßte ihn mit so strahlendem Lächeln, daß er mit dem
für Suellen ausgestreckten Arm plötzlich innehielt und in beglückter
Verwunderung Scarlett anstarrte.
Während
Scarlett leichthin mit John Wilkes plauderte, suchten ihre Augen in der Menge
nach Ashley, aber vor dem Hause war er nirgends zu sehen. Dutzende von Stimmen
begrüßten sie, Stuart und Brent Tarleton kamen auf sie zu. Die Munroemädchen
stürzten herbei und begeisterten sich für ihr Kleid, und im Handumdrehen stand
sie im Mittelpunkt eines lauter und lauter sprechenden Kreises, in dem jeder
versuchte, den anderen zu überschreien. Wo war Ashley? Und Melanie und Charles?
Sie bemühte sich, nicht aufzufallen, während sie überall herumschaute und in
die Halle und das lachende Menschengewühl darin spähte.
Als sie so
plaudernd und lachend mit raschen Blicken Haus und Hof absuchte, fiel ihr Auge
auf einen Fremden, der allein in der Halle stand und sie mit so kühler
Unverschämtheit ansah, daß sie augenblicklich stutzte, teils in weiblicher
Freude darüber, daß sie einen Mann auf sich aufmerksam gemacht hatte, teils in
dem verlegenen Gefühl, daß ihr Kleid vorn zu tief ausgeschnitten sei. Er sah
gar nicht mehr jung aus, mindestens wie fünfunddreißig, und war sehr groß und
kräftig. Scarlett meinte, sie hätte nie einen so breitschultrigen Mann mit so
gewaltigen Muskeln gesehen, fast schon zu kräftig, um vornehm zu sein. Als ihr
Auge dem seinen begegnete, lächelte er und zeigte dabei tierhaft weiße Zähne unter
seinem kurz geschnittenen schwarzen Schnurrbart. Er war dunkelhäutig,
sonnenverbrannt wie ein Seeräuber. Seine Augen waren kühn und schwarz wie die
eines Piraten, der sich überlegt, ob er eine Galeone versenken, ob er ein
Mädchen rauben soll. Kühle Verwegenheit lag in seinem Gesicht, und ein
zynischer Humor spielte um den Mund, als er ihr zulächelte. Scarlett verschlug
es den Atem. Eigentlich sollte ein solcher Blick sie beleidigen, und sie
ärgerte sich über sich selbst, daß sie sich nicht beleidigt fühlte. Wer das
sein mochte, wußte sie nicht; aber unleugbar sprach aus seinem dunklen Gesicht
vornehme Abstammung. Man sah es an der dünnen Habichtnase über den vollen roten
Lippen, der hohen Stirn und den weit auseinanderstehenden Augen. Widerstrebend
nur wandte sie den Blick ab, ohne wiederzulächeln; und er drehte sich um, als
jemand rief: »Rhett! Rhett Butler, komm her! Du sollst das hartherzigste
Mädchen in Georgia kennenlernen.«
Rhett
Butler? Der Name kam ihr bekannt vor und erinnerte sie an irgendeine herrliche
Skandalgeschichte, aber ihre Gedanken waren bei Ashley und gingen der Sache
nicht weiter nach.
»Ich muß
hinauf und mir das Haar richten«, sagte sie zu Stuart und Brent, die
versuchten, sie von der Menge abzuschneiden. »Wartet hier auf mich und lauft
gefälligst nicht mit einem anderen Mädchen davon, sonst werde ich böse.«
Sie
gewahrte, daß Stuart heute Schwierigkeiten machen würde, sobald sie mit jemand
anderem flirtete. Er hatte getrunken und trug die hochfahrende, kampflustige
Miene zur Schau, die nichts Gutes bedeutete, wie sie aus Erfahrung wußte. In
der Halle blieb sie stehen, sprach mit Freunden und begrüßte India, die gerade
mit unordentlichem Haar und winzigen Schweißtropfen auf der Stirn aus dem
Hinterhause auftauchte. Arme India! Es war schon sehr schlimm, wenn Haar und
Wimpern farblos waren und das Kinn als Zeichen einer eigenwilligen Natur
vorstand
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