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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Melanie aufmerksam sein, denn schließlich ist sie seine Cousine, und
so unbeliebt, wie sie ist, wäre sie ohne ihn ein Mauerblümchen. «
    Sie
schöpfte wieder Mut und verdoppelte ihre Bemühungen um Charles, dessen glühende
braune Augen nicht von ihr abließen. Es war ein wundervoller Tag, ein Traumtag
für ihn. Er hatte sich in Scarlett verliebt. Vor diesem neuen Gefühl wich Honey
wie in einen dichten Nebel zurück.
    Honey war
ein laut zwitschernder Spatz, Scarlett ein schillernder Kolibri. Sie zog ihn
vor, stellte Fragen an ihn und gab selbst Antworten darauf, so daß er gescheit
wirkte, ohne selbst ein Sterbenswörtchen zu erfinden. Die anderen ärgerten sich
und wußten nicht, was sie dazu sagen sollten. Sie mußten sich ernstlich
anstrengen, um höflich zu bleiben und die wachsende Wut hinunterzuschlucken.
Überall glomm es unter der Asche, und wäre Ashley nicht gewesen, Scarlett hätte
einen richtigen Triumph gefeiert.
    Als der
letzte Bissen aufgegessen war, hoffte Scarlett, India werde nun aufstehen und
den Damen vorschlagen, sich ins Haus zurückzuziehen. Es war zwei Uhr, und die
Sonne schien warm, aber India war nach den dreitägigen Vorbereitungen so müde,
daß sie froh war, sitzen zu dürfen und dabei einem tauben alten Herrn aus
Fayetteville ihre Bemerkungen ins Ohr schreien zu können.
    Eine träge
Schläfrigkeit legte sich über die Gesellschaft. Die Neger gingen herum und
deckten die langen Tische, an denen man gespeist hatte, ab. Gelächter und
Gespräch wurden stiller, alle warteten darauf, daß die Gastgeberin das Zeichen
zum Ende der Festlichkeit geben möge. Palmenfächer wedelten auf und ab, und
einige alte Herren waren vor Hitze und Sattheit eingenickt. In dieser Pause
zwischen der Geselligkeit des Morgens und dem abendlichen Ball machten sie alle
den Eindruck von gemessenen, friedlichen Leuten. Nur die jungen Männer hatten
immer noch etwas von der ruhelosen Kraft, die bis vor kurzem die ganze
Gesellschaft belebt hatte. Unter der Schlaffheit des Mittags lauerten
Leidenschaften, die jeden Augenblick tödlich aufflammen und ebenso schnell
ausbrennen konnten. Die Unterhaltung wollte eben völlig einschlafen, als
plötzlich alles durch Geralds zornig erhobene Stimme aus dem Halbschlummer
geschreckt wurde. Er stand in einiger Entfernung von den Speisetischen und war
auf dem Höhepunkt eines Streites mit John Wilkes angelangt.
    »Heiliger
Strohsack, Mann! Für friedliche Einigung mit den Yankees beten? Nachdem wir die
Schufte aus Fort Sumter hinausgefeuert haben? Friedlich? Die Südstaaten sollten
mit den Waffen in der Hand zeigen, daß sie sich nicht beleidigen lassen und daß
sie sich nicht mit gütiger Erlaubnis der Union von ihr trennen, sondern aus
eigener Kraft befreien!«
    »Mein
Gott«, dachte Scarlett, »nun können wir alle bis Mitternacht hier sitzen
bleiben.«
    Im
Handumdrehen hatte sich alle Schläfrigkeit verflüchtigt. Die Männer sprangen
von Bänken und Stühlen auf, die Stimmen begannen einander zu überschreien. Den
ganzen Morgen hatte auf Mr. Wilkes' Bitte, die Damen nicht zu langweilen,
niemand von Politik und Kriegsgefahr gesprochen. Aber nun hatte Gerald das Eis
gebrochen, und alle anwesenden Männer vergaßen die Ermahnung.
    »Natürlich
wollen wir kämpfen ...«
    »Diese
verfluchten Yankees, diese Spitzbuben ... «
    »Wir
verhauen sie in einem einzigen Monat... «
    »Einer von
uns prügelt zwanzig von ihnen windelweich ... «
    »Friedlich?
... Sie lassen uns ja nicht in Frieden!«
    »Wie Mr.
Lincoln unsere Unterhändler beleidigt hat ... Wochenlang hat er sie warten
lassen und versprochen, Fort Sumter zu räumen!«
    »Sie
wollen den Krieg, nun, er soll ihnen bald zum Halse heraushängen!« Lauter als
alle anderen donnerte Gerald. Scarlett hörte ihn brüllen: »Die Rechte der
Südstaaten, Teufel noch mal!« Er ereiferte sich gewaltig und kam endlich auf
seine Kosten, seine Tochter aber durchaus nicht. All dies Gerede war ihr
gründlich verhaßt, weil sich die Männer nun stundenlang damit beschäftigen und
sie vorläufig keine Gelegenheit mehr finden würde, Ashley unter vier Augen zu
sprechen. Natürlich gab es keinen Krieg, das wußten die Männer alle. Sie
redeten nur gern und hörten sich so gern reden.
    Charles
Hamilton war nicht mit den andern aufgesprungen und fand sich plötzlich mit
Scarlett allein. Da lehnte er sich enger an sie und flüsterte mit der Kühnheit
neugeborener Leidenschaft: »Miß O'Hara ... Ich ... ich hatte schon beschlossen,
daß ich nach

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