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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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und
wieder schweiften seine Augen, völlig bar der Ehrerbietung, die sie gewohnt
war, über sie hin.
    »Heiliger
Strohsack!« In ihrer Entrüstung gebrauchte Scarlett im stillen Geralds
Lieblingsfluch. »Er tut, als ob er wüßte, wie ich ohne Hemd aussehe!« Damit
warf sie den Kopf zurück und ging nach oben. In dem Schlafzimmer, wo die Damen
abgelegt hatten, fand sie Cathleen Calvert, die sich vor dem Spiegel putzte und
auf die Lippen biß, damit sie röter aussähen. An ihrem Gürtel steckten frische
Rosen, die zu ihren Wangen paßten, und ihre kornblumenblauen Augen sprühten vor
Erregung.
    »Cathleen«,
sagte Scarlett und versuchte, sich die Taille höher hinaufzuziehen, »wer ist
eigentlich dieser gräßliche Butler da unten?«
    »Ja, weißt
du denn das nicht?« flüsterte Cathleen aufgeregt und hatte dabei ein scharfes
Auge auf das Nebenzimmer, wo Dilcey mit der Mammy der Wilkesschen Mädchen
schwatzte. »Es muß für Mr. Wilkes ein peinliches Gefühl sein, ihn hier zu
haben, aber er war gerade zu Besuch bei Mr. Kennedy in Jonesboro, ich glaube in
Baumwollgeschäften, und da mußte Mr. Kennedy ihn natürlich mit hierherbringen.«
    »Was ist
denn mit ihm?«
    »Man
verkehrt nicht mit ihm.«
    »Wahrhaftig?«
    Scarlett
hatte daran ein Weilchen schweigend zu kauen. Noch nie war sie mit jemandem,
mit dem man nicht verkehrt, unter einem Dach zusammen gewesen. Das war sehr
aufregend.
    »Was hat
er denn getan?«
    »O
Scarlett, er hat einen ganz schrecklichen Ruf. Er heißt Rhett Butler und stammt
aus Charleston. Seine Eltern gehören da zu den besten Familien, aber mit ihm
verkehren sie nicht mehr. Caro Rhett hat mir vorigen Sommer von ihm erzählt. Er
ist aus West-Point rausgeschmissen worden. Stell dir vor! Wegen etwas so
Schummeln, daß Caro es nicht wissen darf, und dann war da noch die Geschichte
mit dem Mädchen, das er nicht geheiratet hat. Ja, weißt du denn gar nichts
davon? Also, dieser Mr. Butler ist in Charleston mit einem Mädchen im
Einspänner spazierengefahren. Ich weiß nicht, wer sie war, aber ich habe so
meinen Verdacht. Aus sehr guter Familie kann sie nicht gewesen sein, sonst wäre
sie nicht so spät nachmittags ohne Begleitung mit ihm ausgefahren, und denk
mal, sie blieben beinahe die ganze Nacht und gingen schließlich zu Fuß nach
Hause. Sie behaupteten, das Pferd sei ihnen durchgegangen und hätte den Wagen
zertrümmert und sie hätten sich im Walde verirrt. Und nun rate, was geschah!«
    »Das kann
ich nicht raten, erzähle!« sagte Scarlett begeistert und machte sich auf das
Schlimmste gefaßt.
    »Den
nächsten Tag hat er sich geweigert, sie zu heiraten.«
    »Ach!«
Scarlett war enttäuscht.
    »Er sagte,
er habe ihr nichts getan und sehe nicht ein, warum er sie heiraten sollte.
Natürlich hat ihr Bruder ihn gefordert, und Mr. Butler hat gesagt, lieber ließe
er sich totschießen, als eine dumme Gans zu heiraten. Und dann kam das Duell,
und Mr. Butler hat den Bruder des Mädchens getötet und mußte aus Charleston
weg, und nun kann er nirgends mehr verkehren«, schloß Cathleen triumphierend
und eben noch rechtzeitig, denn Dilcey kam zurück, um das Kleid ihrer
Schutzbefohlenen einer Prüfung zu unterziehen.
    »Hat sie
ein Kind gekriegt?« flüsterte Scarlett Cathleen ins Ohr.
    Cathleen
schüttelte heftig den Kopf. »Aber ruiniert war sie trotzdem«, zischelte sie
zurück.
    Wenn doch
nur Ashley mich kompromittieren wollte, dachte Scarlett plötzlich. Er wäre zu
sehr Gentleman, um mich dann nicht zu heiraten.
    Und doch
hatte sie das uneingestandene Gefühl, man müsse vor Rhett Butler Achtung haben,
weil er sich geweigert hatte, eine dumme Gans zu heiraten.
    Scarlett
saß auf einem hohen Liegestuhl aus Rosenholz im Schatten einer riesigen Eiche
hinter dem Hause, umwogt von Falten und Rüschen, unter denen zwei Zoll ihrer
grünen Maroquinschuhe - das Äußerste, was eine Dame zeigen durfte - zum
Vorschein kamen. Einen kaum berührten Teller hatte sie in der Hand und sieben
Kavaliere um sich herum. Das Gartenfest war auf seinem Höhepunkt angelangt.
Gelächter und lustige Worte, das Geklirr von Silber und Porzellan und würzige
Bratendüfte erfüllten die warme Luft. Wenn der leichte Wind sich drehte, zogen
Rauchwolken von den Feuerstellen über die Gesellschaft hin und wurden von den
Damen mit lustigem Schreckensgeschrei und heftigem Gewedel ihrer Palmenfächer
begrüßt.
    Die
meisten jungen Damen saßen mit ihren Herren auf den Bänken an den langen
Tischen. Aber Scarlett hatte erkannt, daß

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