Margaret Mitchell
zugeben, daß sie beinahe hübsch
aussah. Als Melanie zu Ashley aufblickte, war ihr Gesicht wie von innen
erleuchtet. Hatte je ein liebendes Herz sich auf einem Antlitz gezeigt, so
jetzt bei Melanie Hamilton.
Scarlett
gab sich Mühe, die Augen von den beiden abzuwenden, aber es gelang ihr nicht.
Nach jedem Blick dorthin war sie mit ihren Kavalieren doppelt lustig. Sie
lachte und sagte gewagte Dinge, neckte und warf den Kopf zurück, daß die
Ohrringe klirrten. Wohl hundertmal sagte sie »Ach Unsinn, dummes Zeug!« und
schwur, sie wolle nie etwas von alldem glauben, was Männer ihr sagten. Ashley
aber bemerkte es nicht, er blickte nur zu Melanie hinauf und sprach weiter, und
Melanie sah zu ihm hinab mit einem Ausdruck, der strahlend bewies, daß sie sein
war.
So kam es,
daß Scarlett sich unglücklich fühlte. Wer nur das Äußere wahrnahm, mochte
meinen, nie habe ein Mädchen weniger Grund dazu gehabt. Unbestritten war sie
die Königin des Tages. Zu jeder anderen Zeit hätte ihr das Aufsehen, das sie
bei den Männern erregte, zusammen mit dem Herzweh der anderen Mädchen,
ungeheures Vergnügen bereitet.
Charles
Hamilton wich trotz der vereinten Bemühungen der Zwillinge Tarleton nicht von ihrer
Seite. Er hielt ihren Fächer in der einen Hand und seinen unberührten Teller in
der andern und vermied es hartnäckig, Honeys Blick zu begegnen, der die Tränen
nahe waren. Cade hatte es sich zu ihrer Linken bequem gemacht und sah Stuart
mit glimmenden Augen an.
Schon
schwelte die Glut zwischen ihm und den Zwillingen, schon waren gereizte Worte
hin und her gegangen. Frank Kennedy scharwenzelte um Scarlett herum wie eine
Henne um ein Küken und rannte zwischen den Eichen und den Tischen hin und her,
um Scarlett mit Leckerbissen zu versorgen, als ob nicht schon ein Dutzend
Diener zu diesem Zweck da wären. Suellens dumpfer Groll begann ihre vornehme
Zurückhaltung zu durchbrechen, und sie schoß feindselige Blicke auf Scarlett.
Die kleine Carreen hätte weinen mögen. Trotz Scarletts ermutigenden Worten von
heute morgen hatte Brent nur »Hallo, Schwesterchen« zu ihr gesagt und sie am
Haarband gezupft, ehe er seine volle Aufmerksamkeit Scarlett zuwandte.
Gewöhnlich war er doch so nett zu ihr und behandelte sie mit einer heiteren
Ehrerbietung, bei der sie sich ganz erwachsen vorkam; und Carreen träumte
insgeheim von dem Tage, da sie ihr Haar aufstecken und einen langen Rock
anziehen und ihn wirklich als Verehrer betrachten konnte. Aber nun sah es aus,
als gehörte er Scarlett ganz und gar. Die Munroemädchen verbargen mühsam ihren
Kummer über die Unaufmerksamkeit der beiden dunklen Fontaines, die mit im
Kreise um Scarlett standen und sich an sie heranzuschlängeln suchten, sobald
einer der andern Miene machte aufzustehen. Mit erhobenen Augenbrauen funkten
sie ihre Mißbilligung über Scarletts Benehmen zu Hetty Tarleton hinüber.
»Schamlos« war das einzig richtige Wort dafür. Alle drei zugleich nahmen die
jungen Damen ihre Spitzenschirmchen in die Hand, sagten, sie hätten nun genug
gegessen, berührten mit leichtem Finger den Arm des zunächststehenden Herrn und
begehrten in holden Tönen den Rosengarten, den Brunnen und das Sommerhaus zu
sehen. Dieser strategische Rückzug in guter Ordnung entging keiner der
anwesenden Damen und jedem der anwesenden Männer.
Scarlett
kicherte in sich hinein, als sie drei Männer ihren Zauberkreis verlassen sah,
um den Damen Dinge zu zeigen, die ihnen von Kindheit auf vertraut waren, und
warf einen scharfen Blick auf Ashley, um zu sehen, ob er es bemerkt habe. Der
aber spielte mit den Enden von Melanies Schärpe und lächelte zu ihr hinauf.
Scarletts Herz zog sich vor Weh zusammen. Sie hätte Melanies Elfenbeinhaut bis
aufs Blut zerkratzen mögen.
Als ihre
Blicke weiterschweiften, begegneten ihre Augen denen Rhett Butlers, der abseits
mit John Wilkes sprach. Er hatte sie beobachtet, und jetzt lachte er sie an.
Scarlett hatte das unbehagliche Gefühl, daß unter allen Anwesenden nur dieser
Mann, mit dem man nicht verkehrte, ihre wilde Lustigkeit durchschaute und sein
hämisches Vergnügen daran fand. Auch ihn hätte sie mit Wonne zerkratzen mögen.
»Wenn ich nur dieses Fest bis heute mittag überstehe«, dachte sie, »dann gehen
alle Mädels zu einem Schläfchen hinauf, und ich bleibe hier und komme endlich
dazu, mit Ashley zu reden. Er muß doch bemerkt haben, wie begehrt ich bin.«
Noch mit einer anderen Hoffnung suchte sie ihr Herz zu trösten: »Natürlich muß
er gegen
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