Margaret Mitchell
jedermann würde sich über sie totlachen. Und Melanie könnte
ich auch damit weh tun, weil sie Charles liebhat. Und Stu und Brent könnte ich
damit kränken.« Sie wußte nicht recht, warum sie eigentlich alle kränken
wollte. Nun ja, sie hatten boshafte Schwestern. »Und es würde sie alle kränken,
wenn ich in einem schönen Wagen mit vielen hübschen Kleidern hierher auf Besuch
käme und hätte mein eigenes Haus daheim. Dann lachen sie nie wieder über mich.«
»Das
bedeutet natürlich Kampf«, sagte Charles nach mehreren weiteren schüchternen
Versuchen. »Aber grämen Sie sich nicht, Miß Scarlett, in einem Monat ist es
vorbei, dann kriegen sie das Heulen. Jawohl! Das Heulen! Um alles in der Welt
muß ich dabeisein. Heute wird wohl nicht viel aus dem Ball werden; die Truppe
hat Appell in Jonesboro. Die vier Tarletons bringen die Nachricht herum. Ich
weiß, den Damen wird es leid tun.«
Sie sagte
»Ach«, weil ihr nichts Besseres einfiel, aber es genügte. Allmählich fand sie
ihr Gleichgewicht wieder, und die Gedanken begannen sich zu sammeln. Auf allen
ihren Gefühlen lag es wie Rauhreif, sie meinte, sie würde nie wieder wann
empfinden können. Warum nicht diesen hübschen, errötenden Jungen nehmen? Er war
so gut wie jeder andere. Und ihr war es so einerlei. An nichts lag ihr mehr
etwas, ihr Leben lang, und wenn sie neunzig Jahre alt würde.
»Ich kann
mich noch nicht entschließen, ob ich mit Mr. Wade Hamptons Südcarolina-Legion
oder mit der Atlantaer Stadtgarde hinausgehe.«
Wieder
sagte sie »Oh«, ihre Augen begegneten einander, ihre bebenden Lider gaben ihm
den Rest.
»Wollen
Sie auf mich warten, Miß Scarlett? Es wäre himmlisch, wenn ich wüßte, Sie
warteten auf mich, bis wir sie verdroschen haben!« Atemlos hing er an ihrem
Munde und bemerkte, wie ihre Lippen sich in den Winkeln verzogen, sah zum
erstenmal die Schatten darin und dachte, wie es wohl wäre, sie zu küssen. Ihre
Hand, die innen kalt von Schweiß war, glitt in die seine.
»Ich
möchte eigentlich nicht warten«, sagte sie mit verschleierten Augen.
Er
umklammerte ihre Hand, der Mund stand ihm weit offen. Durch ihre Wimpern
beobachtete Scarlett ihn völlig unbeteiligt und fand, er sähe aus wie ein
aufgespießter Frosch. Mehrmals fing er stotternd an, schloß den Mund und
öffnete ihn wieder und wurde rot wie eine Geranie.
»Ist es
denn möglich, daß Sie mich lieben?«
Sie
antwortete nichts, sie blickte nur in ihren Schoß und stürzte Charles in neue
Wonne und neue Verlegenheit. Vielleicht durfte der Mann ein Mädchen nicht so
etwas fragen, vielleicht war es nicht mädchenhaft, darauf zu antworten. Charles
hatte nie vorher den Mut gehabt, solche Fragen zu stellen, und wußte nun nicht,
was er tun sollte. Am liebsten hätte er gejubelt und gesungen und sie geküßt
und auf dem Rasen Purzelbäume geschlagen und wäre dann hingelaufen und hätte
jedem, Schwarz oder Weiß, erzählt, daß sie ihn liebte. So aber drückte er nur
ihre Hand immer fester, bis die Ringe ihr ins Fleisch schnitten.
»Wollen
Sie mich schon bald heiraten, Miß Scarlett?«
Sie
fingerte an den Falten ihres Kleides.
»Wollen
wir eine Doppelhochzeit mit Mel ...?«
»Nein!«
sagte sie rasch, ihre Augen blitzten unheilverkündend zu ihm auf. Wieder merkte
Charles, daß er etwas falsch gemacht hatte. Natürlich wollte ein Mädchen ihre
eigene Hochzeit haben, ihren Ehrentag nicht teilen. Wie gut von ihr, seine
Tölpeleien zu übersehen! Wäre es doch dunkel, fände er doch den Mut, den die
Dunkelheit gibt, könnte er ihr doch die Hand küssen und ihr sagen, wovon sein
Herz voll war!
»Wann kann
ich mit Ihrem Vater sprechen?«
»Je eher,
desto besser.« Sie hoffte, er würde vielleicht ihre Hand von dem lästigen Druck
der Ringe erlösen, ehe sie ihn darum bitten müßte. Er sprang auf, und einen
Augeblick meinte sie, er wollte einen Purzelbaum schlagen, ehe der Anstand es
ihm verbot. Strahlend blickte er auf sie nieder, sein ganzes Herz in all seiner
reinen Einfalt lag in den Augen. So hatte noch niemand sie angeschaut, und so
sollte auch nie wieder jemand sie anschauen. Aber traumhaft losgelöst von
allem, wie sie war, fand sie nur, er sähe aus wie ein Kalb.
»Ich will
nun Ihren Vater suchen«, sagte er und lächelte über das ganze Gesicht. »Ich
kann nicht länger warten. Willst du mich entschuldigen ... du Liebe?« Das Du
wurde ihm schwer. Als er es aber einmal gesagt hatte, wiederholte er es voller
Wonne immer von neuem. »Ja«, sagte sie, »ich warte
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