Margaret Mitchell
darauf besinnen könnte! Sie hatte die
Klatschmäuler der Provinz durch ihre Hochzeit mit Charles zum Schweigen
gebracht, aber was lag daran? Es war ihr damals so wichtig vorgekommen, jetzt
war es so völlig gleichgültig. Das einzige, worauf es ankam, war Ashley. Nun
war er fort und sie an einen Mann verheiratet, den sie nicht liebte, den sie
sogar verachtete.
Am
schlimmsten ward die Erkenntnis, daß sie allein an allem schuld war. Ellen
hatte versucht, sie zurückzuhalten, aber sie hatte nicht hören wollen.
So
vertanzte sie die Nacht von Ashleys Hochzeit wie betäubt, sprach mechanisch allerlei,
lächelte und verwunderte sich über die Dummheit der Menschen, die sie für eine
glückliche Braut hielten und nicht sahen, daß ihr das Herz gebrochen war. Nun,
Gott sei Dank, daß sie es nicht sehen konnten.
Als Mammy
ihr dann beim Ausziehen geholfen hatte und hinausgegangen war, als Charles
schüchtern in der Tür des Ankleidezimmers auftauchte, unsicher, ob er auch die
zweite Nacht in dem Roßhaarstuhl zubringen mußte, brach sie in Tränen aus. Sie
weinte, bis Charles zu ihr ins Bett stieg und sie zu trösten suchte, weinte
wortlos, bis ihr keine Tränen mehr kamen, weinte sich schließlich an seiner
Schulter in den Schlaf.
Wäre nicht
Krieg gewesen, so wäre jetzt eine Woche gefolgt mit Besuchen in der ganzen
Provinz, mit Bällen und Gartenfesten zu Ehren der beiden Jungverheirateten
Paare, ehe diese nach Saratoga oder nach White Sulphur auf die Hochzeitsreise
gingen. Wäre nicht Krieg gewesen, so hätte Scarlett die verschiedenen Kleider
für den »dritten«, »vierten« und »fünften Tag« bei Fontaines, Calverts und Tarletons
auf den Gesellschaften, die ihr zu Ehren dort gegeben wurden, anziehen können.
Jetzt aber gab es weder Gesellschaften noch Flitterwochen. Acht Tage nach der
Hochzeit reiste Charles ab, um sich dem Oberst Wade Hampton zu stellen, und
vierzehn Tage später marschierte Ashley mit der »Truppe« ab, und die ganze
Provinz war vereinsamt.
In diesen
vierzehn Tagen sah Scarlett Ashley niemals allein und wechselte kein Wort unter
vier Augen mit ihm, nicht einmal in dem schrecklichen Augenblick des Abschieds,
als er auf dem Wege zur Bahn in Tara vorsprach. Melanie mit Haube und Schal
hing, erfüllt von ihrer neuerworbenen Frauenwürde, an seinem Arm, und die ganze
Einwohnerschaft von Tara, Schwarze wie Weiße, kamen heraus, um Abschied zu
nehmen von Ashley, der jetzt in den Krieg zog.
Melanie
sagte: »Du mußt Scarlett einen Kuß geben, sie ist jetzt meine Schwester.« Und
Ashley beugte sein von Qual gespanntes Gesicht herab und berührte mit kalten
Lippen ihre Wangen. Scarlett hatte kaum Freude an dem Kuß, so verdroß es sie,
daß Melly ihn dazu auffordern durfte. Melanie selbst erstickte sie fast in
ihrer Abschiedsumarmung.
»Du
besuchst mich doch in Atlanta bei Tante Pittypat, nicht wahr? Ach, Liebes, wir
hätten dich so gern bei uns, wir möchten doch Charles' Frau besser
kennenlernen!«
Fünf
Wochen verstrichen, in denen Briefe von Charles aus Südcarolina ankamen,
scheue, überschwengliche, zärtliche Briefe, in denen er von seiner Liebe, von
seinen Zukunftsplänen für die Zeit nach dem Kriege schrieb, von seiner
Sehnsucht, um Scarletts willen ein Held zu werden, und von seiner Verehrung für
seinen Oberst Wade Hampton. In der siebenten Woche kam ein Telegramm von Oberst
Hampton persönlich, und dann ein gütiger, würdiger Kondolenzbrief. Charles war
tot. Der Oberst hätte eher telegraphieren wollen, aber Charles hatte seine
Krankheit leichter genommen und wollte seine Familie nicht beunruhigen. Der
unselige Junge war nicht nur um die Liebe betrogen worden, die er sich erobert
zu haben meinte, sondern auch um seine hochfliegenden Hoffnungen auf Ruhm und
Ehre in der Schlacht. Er starb einen schmählichen, raschen Tod an einer
Lungenentzündung infolge von Masern, ohne näher an die Yankees herangekommen zu
sein als bis in das Feldlager in Südcarolina.
Nach der
gehörigen Zeit wurde Charles' Sohn geboren und Wade Hampton Hamilton genannt,
weil es gerade Mode war, einen Jungen nach dem Vorgesetzten seines Vaters zu
nennen. Scarlett hatte vor Verzweiflung geweint, als sie merkte, daß sie
schwanger war, und zu sterben gewünscht Aber sie trug das Kind ohne alle
Beschwerden aus, brachte es leicht zur Welt und erholte sich so rasch, daß
Mammy ihr insgeheim sagte, es sei einfach unvornehm - Damen müßten dabei mehr
leiden. Sie empfand wenig Zärtlichkeit für das Kind, wenn sie auch
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