Margaret Mitchell
liebe Miß O'Hara, sind
ein Mädchen von bewunderungswürdigem Temperament. Ich nehme den Hut vor Ihnen
ab. Welche Reize der elegante Mr. Wilkes für ein Mädchen von so stürmischem
Naturell haben kann, ist mir freilich unbegreiflich. Er sollte Gott auf den
Knien danken für ein Geschöpf mit Ihrer - wie drückte er sich noch aus?
->Lebensleidenschaft<; da er aber nur ein mattherziger Jämmerling ist
...«
»Sie sind
nicht wert, ihm die Schuhe zu säubern!« schrie sie wütend.
»Und Sie
wollen ihn Ihr Leben lang hassen!« Er ließ sich aufs Sofa zurückfallen, und sie
hörte ihn wieder lachen.
Hätte sie
ihn umbringen können, sie hätte es getan, statt dessen aber ging sie mit so
viel Würde, wie sie aufbringen konnte, aus dem Zimmer und schlug die schwere
Tür hinter sich zu.
So schnell
rannte sie die Treppe hinauf, daß sie meinte, ihr schwänden die Sinne. Sie
blieb stehen, packte krampfhaft das Geländer, ihr Herz hämmerte so wild vor
Zorn, Gekränktheit und Anstrengung, daß ihr war, als müsse es ihr Kleid
zersprengen. Sie versuchte tief zu atmen, aber dafür hatte Mammy sie zu fest
geschnürt. Wenn sie nun ohnmächtig wurde, und man fand sie hier auf dem
Treppenabsatz, was sollten die Leute denken? Oh, die dächten sich schon ihr
Teil, Ashley und dieser gemeine Butler und die gräßlichen Mädchen, die alle so
eifersüchtig waren! Zum erstenmal in ihrem Leben hätte sie gern Riechsalz bei
sich gehabt wie die anderen Mädchen, aber sie hatte nie auch nur ein
Riechfläschchen besessen. Sie war immer so stolz darauf gewesen, daß ihr nie
schwindelte. Es ging einfach nicht an, daß sie jetzt ohnmächtig wurde.
Allmählich
kam sie wieder zu sich. In einer Minute fühlte sie sich sicher wieder wohl, und
dann würde sie leise in das kleine Ankleidestübchen neben Indias Zimmer gehen,
ihr Korsett lockern, ins Zimmer schlüpfen und sich auf eins der Betten neben
die schlafenden Mädchen legen.
Sie suchte
ihr klopfendes Herz und ihr Gesicht zu beruhigen. Sie mußte ja wie eine Irre
aussehen. Sollte eines der Mädchen wach sein, so merkte es sicher sofort, daß
etwas los war, und das durfte nie und nimmer geschehen.
Durch das
breite Erkerfenster auf dem Treppenabsatz sah sie immer noch die Herren unter
den Bäumen und im Schatten der Laube auf ihren Stühlen sich rekeln. Wie sie sie
beneidete! Herrlich, ein Mann zu sein und nie solchen Jammer durchmachen zu
müssen, wie sie ihn eben erlebt hatte! Während sie dastand und mit heißen
Augen, noch immer ein wenig schwindlig, die Männer beobachtete, hörte sie
raschen Hufschlag in der vorderen Auffahrt. Kies prasselte, eine aufgeregte
Stimme erklang. Wieder stob Kies, und quer durch ihr Gesichtsfeld galoppierte
ein Reiter über den grünen Rasen auf die träge Gruppe unter den Bäumen zu.
Ein
verspäteter Gast? Warum aber ritt er quer über den Rasen, der Indias Stolz war?
Sie konnte ihn nicht erkennen, aber als er sich aus dem Sattel schwang und John
Wilkes am Arm packte, sah sie die Aufregung an jedem Zoll seiner Gestalt. Die
Schar umdrängte ihn. Trotz der Entfernung hörte sie den Tumult der fragenden,
laut rufenden Stimmen und empfand die fieberhafte Spannung der Männer. Dann
erhob sich über dem verworrenen Geräusch Stuart Tarletons Stimme und frohlockte
»Yee - aay - eel«, als wäre er auf der Jagd. Ohne es zu wissen, hörte sie zum
ersten Male den Kriegsruf der Rebellen.
Die vier
Tarletons, hinter ihnen die Fomaineschen Jungens, lösten sich von den übrigen,
liefen eilig nach dem Stall und riefen dabei gellend: »Jeems! Jeems! Pferde
satteln!«
Einem von
ihnen muß das Haus brennen, sagte sich Scarlett. Feuer hin, Feuer her, sie
mußte jetzt ins Schlafzimmer zurückgelangen, ehe sie entdeckt wurde.
Ihr Herz
hatte sich beruhigt, auf Zehen schlich sie die Stufen hinauf in den lautlosen
Flur. Schwere warme Schläfrigkeit lag über dem Hause, als schliefe es selbst
ruhig wie die Mädchen bis zum Abend, um dann mit Musik und Kerzen zur vollen
Schönheit aufzublühen. Vorsichtig hob sie die Tür des Ankleidezimmers ein wenig
an, öffnete sie und schlüpfte hinein. Ihre Hand lag noch hinter ihr auf der
Klinke, als Honey Wilkes' Stimme leise, fast flüsternd, durch den Spalt der
gegenüberliegenden Schlafzimmertür zu ihr drang: »Ich finde, Scarlett hat sich
heute so schamlos benommen, wie ein Mädchen überhaupt nur kann.«
Scarletts
Herz begann wieder seinen wilden Tanz, unbewußt stemmte sie die Hand dagegen,
als wollte sie es mit Gewalt
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