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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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diese
Tatsache verbarg. Sie hatte es nicht haben wollen und sein Erscheinen
übelgenommen. Und nun, da es da war, kam es ihr unmöglich vor, daß es von ihr
geboren, daß es ein Teil ihrer selbst sein sollte.
    Obwohl sie
sich körperlich von Wades Geburt in wiederum unvornehm kurzer Zeit erholte, war
ihr Gemüt trotz der Bemühungen der ganzen Plantage, sie aufzumuntern, wie
betäubt. Ellen ging mit faltiger, sorgenvoller Stirn umher, Gerald fluchte noch
häufiger als sonst und brachte ihr aus Jonesboro Geschenke mit, die nichts fruchteten,
so daß der alte Dr. Fontaine zugab, daß er nicht mehr recht ein noch aus wisse,
nachdem sein Stärkungsmittel aus Schwefel, Zuckersirup und Kräutern versagt
hatte. Er teilte Ellen unter vier Augen mit, die Ursache für Scarletts
abwechselnd reizbare und schwermütige Stimmung sei in gebrochenem Herzen zu
suchen. Hätte Scarlett sich äußern wollen, sie hätte ihnen sagen können, daß
ihr Leiden ganz anderer und viel komplizierterer Natur sei. Sie verschwieg
ihnen, daß eine maßlose Langeweile, Fassungslosigkeit gegenüber der Tatsache,
daß sie wirklich Mutter war, und vor allem Ashleys Abwesenheit ihr dies
schmerzliche Aussehen gaben.
    Ihre
Langeweile war schmerzhaft und verfolgte sie auf Schritt und Tritt. Seitdem die
»Truppe« im Feld stand, hatten alle Vergnügungen, alles gesellige Leben der
Provinz aufgehen. Alle unterhaltenden jungen Männer waren fort - die vier
Tarletons, die beiden Calverts, die Fontaines, die Munroes und alles aus
Jonesboro, Fayetteville und Lovejoy, was jung und nett war. Nur die älteren
Männer, die Krüppel und die Frauen waren zurückgeblieben und brachten die Zeit
mit Stricken und Nähen zu, mit dem Anbau von immer mehr Baumwolle und Getreide,
mit der Aufzucht von immer mehr Schweinen, Schafen und Kühen für das Heer.
Einen richtigen Mann bekam man nie zu Gesicht, außer Suellens etwas angejahrten
Verehrer Kennedy, den Leiter der Intendantur, der allmonatlich kam, um die
erforderlichen Bestände zu requirieren. Die Herren dieser Behörde waren wenig
aufregend, und der Anblick von Franks schüchternem Liebeswerben ging Scarlett
so auf die Nerven, daß sie Mühe hatte, höflich zu bleiben. Wenn er und Suellen
es doch endlich einmal überstanden hätten!
    Aber
selbst wenn die Herren der Intendantur amüsanter gewesen wären, es hätte
Scarlett doch nicht geholfen. Sie war Witwe, und ihr Herz lag im Grabe. So nahm
wenigstens jeder an und erwartete von ihr, daß sie sich demgemäß betrage. Das
reizte sie unbeschreiblich, denn sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich
keines Zuges an Charles entsinnen außer seines Blickes zu ihrem Jawort, der dem
eines verendenden Kalbes glich. Und sogar dieses Bild verblaßte. Aber sie war
Witwe und mußte ihre Haltung wahren. Die Vergnügungen der jungen Mädchen waren
nicht mehr für sie da. Sie mußte die Trauernde, Unnahbare spielen. Ellen hatte
ihr das ernst vorgehalten, nachdem sie Franks Leutnant dabei ertappt hatte, wie
er für Scarlett die Gartenschaukel stieß, bis sie vor Lachen schrie.
Tiefbekümmert hatte Ellen ihr gesagt, wie leicht eine Witwe ins Gerede komme.
Ihr Betragen müsse doppelt so vorsichtig sein wie das einer verheirateten Frau.
    Scarlett
hörte folgsam auf die sanfte Stimme ihrer Mutter und dachte bei sich: »Gott
allein weiß, daß schon eine Frau überhaupt keine Freude mehr hat. Witwen aber
täten besser daran, sich begraben zu lassen.«
    Als Witwe
mußte man scheußliche schwarze Kleider tragen, keine bunten Farben durften sie
beleben, keine Blumen, kein Band, keine Spitzen, nicht einmal Schmuck, nur
dunkle Onyxbroschen und Halsketten aus dem Haar des Verstorbenen. Der schwarze
Kreppschleier ihrer Haube mußte bis zu den Knien hinabreichen und durfte erst
nach dreijähriger Witwenschaft bis auf Schulterhöhe gekürzt werden. Eine Witwe
durfte niemals lebhaft plaudern, nie laut lachen. Selbst lächeln durfte sie nur
mit gramvoller Miene. Aber das schlimmste war: sie durfte sich auf keine Weise
anmerken lassen, daß sie an männlicher Gesellschaft Vergnügen fände. Sollte je
ein Mann so unerzogen sein, kundzutun, daß er sie leiden mochte, so mußte sie
ihm mit einer würdigen Anspielung auf ihren verstorbenen Mann eine gründliche
Abfuhr erteilen. Ja, gewiß, dachte Scarlett müde, es kommt wohl vor, daß eine
Witwe später einmal wieder heiratet, wenn sie alt und runzelig geworden ist
Aber der Himmel mag wissen, wie sie das unter den Späheraugen ihrer

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