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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Scarlett kratzte die eigenen
Moskitostiche und schwenkte Palmenwedel, bis ihr die Arme schmerzten und sie
allen Verwundeten den Tod wünschte.
    An Melanie
hingegen schienen die Gerüche, die Wunden und die Nacktheit der Männer spurlos
vorüberzugehen, was Scarlett an dieser schüchternsten, verschämtesten aller
Frauen wundernahm. Manchmal sah Melanie allerdings sehr bleich aus, wenn sie
Dr. Meade die Schalen und Instrumente reichte, während er brandiges Fleisch
wegschnitt. Einmal fand Scarlett sie nach einer solchen Operation in der
Wäschekammer, wie sie sich heimlich erbrach. Aber solange die Verwundeten sie
sehen konnten, war sie sanft, verständnisvoll und froh, und die Leute nannten
sie einen Engel des Erbarmens. Diesen Titel hätte Scarlett auch gern gehabt, aber
damit war verbunden, daß man verlauste Männer anfaßte, mit dem Finger im Hals
von bewußtlosen Patienten nachfühlte, ob sie nicht etwa an einem verschluckten
Priem erstickten, daß man Stümpfe verband und faules und eitriges Fleisch
säuberte. Nein, sie mochte durchaus nicht pflegen! Vielleicht wäre es hier
erträglicher gewesen, wenn sie bei den Genesenden ihren weiblichen Zauber hätte
spielen lassen dürfen. Aber als Witwe konnte sie sich derlei nicht erlauben.
Die Genesenden waren in der Hut der jungen Mädchen aus der Stadt, die nicht
pflegen durften, damit ihre jungfräulichen Augen nichts Unziemliches zu sehen
bekamen. Unbeschwert von Ehe und Witwenschaft konnten sie sich ausleben, und
auch die Unscheinbarsten unter ihnen hatten, wie Scarlett mißmutig beobachtete,
keine Schwierigkeiten, einen Bräutigam zu finden. Abgesehen von den
schwerverletzten und sterbenden Männern im Lazarett, lebte Scarlett ganz und
gar in einer Welt von Frauen. An drei Nachmittagen in der Woche mußte sie an
den Nähzirkeln von Melanies Freundinnen teilnehmen. Alle Mädchen waren sehr
freundlich und zuvorkommend gegen sie, besonders Fanny Elsing und Maybelle
Merriwether, die Töchter der beiden städtischen Machthaberinnen. Sie kamen ihr
mit solcher Ehrerbietung entgegen, als wäre sie alt und zähle nicht mehr mit.
Ihr ständiges Gerede über Bälle und Verehrer erfüllte Scarlett mit Bitterkeit,
weil ihre Witwenschaft sie davon ausschloß. War sie nicht dreimal so anziehend
wie Fanny und Maybelle? Ach, wie ungerecht war das Leben! Wie ungerecht, daß
jeder dachte, ihr Herz läge im Grabe, und es war doch in Virginia bei Ashley!
    Aber trotz
aller Kümmernisse gefiel Atlanta ihr gut. Die Wochen vergingen, und ihr Besuch
dauerte länger und länger.
     
    9
     
    An einem
Hochsommermorgen saß Scarlett am Fenster ihres Schlafzimmers und sah betrübt
die Leiterwagen und Equipagen voller Soldaten und Mädchen mit ihren Chaperons
fröhlich die Pfirsichstraße hinunterfahren, um Blätterschmuck für den Basar zu
holen, der am Abend zum Besten der Lazarette stattfinden sollte. Auf die
schattige rote Straße fielen helle Sonnenflecken durch das Laubgewölbe der
Bäume. Die Hufe wirbelten kleine Staubwolken auf. In einem Leiterwagen, der den
anderen voranfuhr, saßen vier dicke Neger mit Äxten, während sich hinten im
Wagen die mit Servietten bedeckten Frühstückskörbe und Dutzende von
Wassermelonen häuften. Zwei der schwarzen Gesellen waren mit Banjo und
Harmonika ausgerüstet und gaben schwungvoll »Wenn ihr es gut haben wollt, kommt
zur Kavallerie!« zum besten. Hinter ihnen her strömte die lustige Kavalkade,
die Mädchen in leichten geblümten Waschkleidern mit feinen Schals, Häubchen,
Handschuhen und Sonnenschirmchen. Alte Damen lächelten zufrieden unter Scherzen
und Anrufen von Wagen zu Wagen. Genesende Soldaten, eingekeilt zwischen dicken
Chaperons und schlanken Mädchen, die viel Lärm und Wesens um sie machten,
Offiziere zu Pferde im Schneckenschritt neben den Equipagen, Rädergequietsch
und Sporengeklirr, schimmernde goldene Tressen, Fächergewedel und Negergesang.
Ganz Atlanta fuhr über die Pfirsichstraße hinaus, um Laub zu pflücken und ein
Picknick zu feiern. »Ganz Atlanta« dachte Scarlett, »nur ich nicht.«
    Man winkte
ihr fröhlich im Vorbeifahren zu. Sie suchte mit fröhlicher Miene zu antworten,
aber es wurde ihr schwer. Mit einem Stich im Herzen hatte es begonnen und stieg
nun langsam zum Halse herauf. Jeder ging zum Picknick, nur sie nicht. Und heute
abend ging jeder zum Basar und zum Ball, nur sie nicht. Das heißt, nur sie,
Pittypat und Melly und all die anderen Unglücksvögel in der Stadt, die Trauer
hatten, nicht. Melly machte sich

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