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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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ernsthaft mit ihr darüber. Er war ein untersetzter,
unzugänglicher alter Hagestolz mit dickem Bauch, rosigem Gesicht und vollem
Silberhaar. Für weibliche Schamhaftigkeiten und Grillen war er ohne jegliches
Verständnis. Deshalb sprach er auch kein Wort mit seiner Schwester Pittypat.
Von der Kinderzeit an waren die beiden in ihrem ganzen Naturell Gegensätze
gewesen und hatten sich dann durch seine Einwendungen gegen ihre Art, Charles aufzuziehen,
noch weiter entfremdet. »Einen richtigen Waschlappen machst du aus einem
Soldatenkind!« Vor Jahren hatte er Pitty dermaßen beleidigt, daß sie seitdem
nur mit solcher Scheu und so verstohlen von ihm sprach, daß ein Fremder den
armen alten Rechtsanwalt mindestens für einen Mörder halten mußte. Zu dieser
Beleidigung war es gekommen, als Miß Pitty von ihrem Vermögen, das er
verwaltete, fünfhundert Dollar abzuheben und in einem gar nicht vorhandenen
Goldbergwerk anzulegen wünschte. Er hatte darauf hitzig erklärt, daß sie nicht
mehr Verstand als ein Maikäfer habe, und es mache ihn nervös, länger als fünf
Minuten mit ihr zusammen sein zu müssen. Seitdem sah sie ihn nur noch einmal im
Monat, wenn sie in seinem Büro ihr Hausstandsgeld in Empfang nahm. Nach diesen
kurzen, förmlichen Besuchen mußte sie sich jedesmal für den Rest des Tages
unter Tränen und mit Riechsalz ins Bett legen. Melanie und Charles, die
ausgezeichnet mit ihrem Onkel standen, hatten sich oft erboten, ihr diese
Prüfung abzunehmen, aber sie hatte stets ihre Kinderlippen fest zusammengepreßt
und es abgelehnt. Henry war ihr Kreuz, und ihr Kreuz mußte sie tragen. Daraus
konnte man nur schließen, daß sie an solchen gelegentlichen Aufregungen, den
einzigen in ihrem behüteten Leben, eine wahre Herzensfreude hatte.
    Onkel
Henry hatte Scarlett sofort gern; er sehe ohne weiteres - so sagte er -, daß
sie trotz all ihrer albernen Ziererei doch ein paar Gran Verstand habe. Er
verwaltete nicht nur Pittys und Melanies Vermögen, sondern auch Scarletts
Erbteil von Charles. Für Scarlett war es eine angenehme Überraschung, daß sie
jetzt eine wohlhabende junge Frau war. Charles hatte ihr nicht nur die Hälfte
von Tante Pittys Haus hinterlassen, sondern auch Ländereien und städtischen
Grundbesitz. Und die Speicher und Lagerhäuser längs des Schienenstranges beim
Bahnhof, die sie ebenfalls geerbt hatte, waren jetzt dreimal soviel wert wie
bei Ausbruch des Krieges. Als Onkel Henry ihr die Abrechnung vorlegte, warf er
die Frage auf, ob sie nicht ihren dauernden Wohnsitz in Atlanta aufschlagen
wolle.
    »Wenn Wade
Hampton mündig wird, ist er ein reicher junger Mann«, sagte er. »Wächst Atlanta
in diesem Tempo weiter, so steigt der Wert seines Vermögens in zwanzig Jahren
um das Zehnfache, und es ist nur richtig, daß der Junge dort aufwächst, wo sein
Besitz ist. Dort lernt er am besten, sich um ihn und auch um Pittys und
Melanies Vermögen zu kümmern. Und bald ist er der einzige männliche Hamilton,
denn ich lebe ja nicht ewig.«
    Was nun
Onkel Peter betraf, so war es für ihn beschlossene Sache, daß Scarlett gekommen
sei, um zu bleiben. Ihm war es ein Unding, daß Charles' einziger Sohn irgendwo
anders als unter seiner, Onkel Peters, Erziehung aufwachsen sollte.
    Scarlett
wollte sich nicht entscheiden, ehe sie nicht wußte, wie es ihr hier auf die
Dauer gefallen würde. Außerdem mußten erst Gerald und Ellen gefragt werden, und
Tara war so fern! Sie verspürte Heimweh nach den roten Feldern, den
aufspringenden grünen Baumwollknospen und den sanften schweigenden Dämmerungen.
Zum erstenmal ging ihr leise auf, was Gerald gemeint hatte, als er sagte, die
Liebe zur Heimat läge auch ihr im Blut.
    So vermied
sie denn einstweilen mit geschickter Höflichkeit, eine bestimmte Zusage zu
geben, und suchte sich zunächst in das Leben des roten Backsteinhauses am Ende
der Pfirsichstraße einzufügen. Sie lebte mit Charles' Verwandten zusammen und
begann den Mann, der sie so rasch hintereinander zur Frau, zur Witwe und zur
Mutter gemacht hatte, ein wenig besser zu verstehen. Sie begann zu begreifen,
warum er so schüchtern und so reinen Gemüts gewesen war. Hatte Charles
überhaupt etwas von der harten, heißblütigen Soldatenart seines Vaters geerbt,
so war das in der vornehm damenhaften Atmosphäre seiner Kindheit bald
untergegangen. Er hatte an der kindlichen Tante Pitty gehangen und seine
Schwester Melanie mehr geliebt, als es sonst Geschwisterart ist, und zwei
sanftere, weltfremdere Frauen konnte

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