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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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wie lieb Charlie dich gehabt hat, kann dich das nicht
trösten? Denk doch an den süßen Kleinen! «
    Das Gefühl
der Einsamkeit und des Nichtverstandenwerdens war so stark in Scarlett, daß es
ihr den Mund verschloß, und das war gut, denn hätte sie jetzt gesprochen, so
wäre manche schlimme Wahrheit zutage gekommen. Melly streichelte ihr die
Schulter, und Pittypat ging auf Zehenspitzen durch das Zimmer und schloß die
Vorhänge. Scarlett hob ihr rotes geschwollenes Gesicht aus den Kissen: »Laß
das! Ich bin noch nicht so tot, daß ihr die Vorhänge schließen müßt. Ach,
bitte, geht hinaus und laßt mich allein!«
    Wieder
verbarg sie ihr Gesicht in den Kissen, und nach einigem erregten Geflüster
gingen die beiden hinaus. Sie hörte, wie Melanie leise auf der Treppe zu
Pittypat sagte:
    »Tante
Pitty, wenn du doch nicht mehr mit ihr über Charlie sprechen wolltest! Du weißt
doch, wie nahe es ihr geht. Armes Ding, sie sieht dann plötzlich so sonderbar
aus. Ich weiß, sie versucht dann, die Tränen zu unterdrücken. Wir dürfen es ihr
nicht noch schwerer machen.«
    In
ohnmächtiger Wut stieß Scarlett das Deckbett weg und suchte nach einem
Ausdruck, der alles, was sie bewegte, kräftig genug ausdrückte. »Heiliger
Strohsack!« kam es schließlich aus ihr hervor, und sie fühlte sich ein klein
wenig erleichtert. Wie konnte Melanie sich damit abfinden, zu Hause zu sitzen
und für ihren Bruder Krepp zu tragen! Spürte sie nicht, wie das Leben mit
Sporenklirren vorüberschritt? Scarlett schlug das Kissen mit Fäusten. »Sie ist
nie so geliebt worden wie ich, und deshalb vermißt sie nicht, was ich vermisse.
Und ... und ... außerdem hat sie Ashley, und ich habe keinen Menschen!« Und sie
brach von neuem in Schluchzen aus.
    In
düsterer Stimmung blieb sie bis zum Nachmittag auf ihrem Zimmer. Dann kamen
draußen die heimkehrenden Picknickgäste wieder vorbeigefahren, müde vor lauter
Lebensfreude und Glück, und wieder winkten sie ihr zu, und sie erwiderte
trübselig die Grüße. Das Leben war nicht wert, gelebt zu werden.
    Die
Erlösung aber kam von einer Seite, von der sie sie am wenigsten erwartet hätte.
Zur Zeit des Mittagsschlafes kamen die Damen Merriwether und Elsing
vorgefahren. Über den unerwarteten Besuch erschrocken, fuhren Melanie, Scarlett
und Miß Pittypat in die Höhe, hakten sich rasch die Taille zu, strichen sich
das Haar glatt und gingen in den Salon hinunter.
    »Mrs.
Bonnells Kinder haben die Masern«, sagte Mrs. Merriwether in einem Tonfall, der
deutlich zu erkennen gab, daß sie Mrs. Bonell für ein derartiges Vorkommnis
persönlich verantwortlich machte.
    »Und die
McLureschen Mädchen sind nach Virginia gerufen worden«, sagte Mrs. Elsing mit
ihrer ersterbenden Stimme und fächelte sich so müde, als ginge das Folgende
über ihre Kraft. »Dallas McLure ist verwundet.«
    »Wie
schrecklich!« riefen ihre Gastgeberinnen im Chor aus. »Ist der arme Dallas ...
«
    »Nein, nur
ein wenig durch die Schulter«, fiel ihnen Mrs. Merriwether ins Wort. »Aber es
hätte zu keiner unpassenderen Zeit geschehen können. Die Mädchen fahren nach
dem Norden, um ihn nach Hause zu holen. Aber, Himmel, wir haben gar keine Zeit,
hier zu sitzen und uns zu unterhalten. Wir müssen sofort zum Arsenal zurück und
die Ausschmückung beenden. Pitty, wir brauchen dich und Melly heute abend. Ihr
müßt Mrs. Bonnell und die McLures vertreten.«
    »Aber
Dolly, wir können doch nicht!«
    »Pittypat
Hamilton«, sagte Mrs. Merriwether energisch, »dieses Wort gibt es bei mir
nicht. Ihr müßt die Schwarzen mit den Erfrischungen beaufsichtigen, das war
Mrs. Bonnells Amt, und du, Melly, mußt die Bude der McLureschen Mädchen
übernehmen.«
    »Ach, das
geht doch nicht, wo der arme Charlie erst ... «
    »Ich weiß,
wie euch ums Herz ist, aber für die heilige Sache ist kein Opfer zu groß«,
entschied Mrs. Elsing mit sanfter Stimme.
    »Wir
würden euch ja so gern helfen, aber ... könnt ihr denn nicht ein paar junge
Mädchen für die Bude bekommen?«
    »Ich weiß
nicht«, schnaubte Mrs. Merriwether, »was die jungen Leute heutzutage haben!
Jedenfalls kein Verantwortungsgefühl. Alle jungen Mädchen, die schon Buden
übernommen haben, kommen mir mit mehr Ausreden, als ich Haare auf dem Kopf
habe. Oh, mir machen sie nichts weis. Sie wollen sich nur ungehindert mit den
Offizieren amüsieren, das ist alles. Sie sind bange, ihre neuen Kleider könnten
hinter den Budenauslagen nicht recht zur Geltung kommen. Ich wünschte
wahrhaftig,

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