Margaret Mitchell
nichts daraus und kam gar nicht auf den
Gedanken, daß sie gern hingegangen wäre. Aber Scarlett fühlte den brennenden
Schmerz der Entsagung.
Es war
ungerecht. Sie hatte doppelt so schwer wie andere Mädchen in der Stadt
gearbeitet, um mit allem für den Basar fertig zu werden, hatte Socken,
Babykappen und Halsbinden gestrickt und zahllose Meter Spitzen geklöppelt.
Viele Kissenbezüge hatte sie mit der Konföderiertenflagge bestickt. Die Sterne
waren wohl ein wenig schief geworden, einige beinahe rund, andere sechsund
sogar siebeneckig, aber es machte sich doch gut. Gestern hatte sie bis zur
Erschöpfung in dem alten verstaubten Schuppen eines Waffenarsenals gearbeitet,
um die Verkaufsbuden, die an den Wänden entlang errichtet waren, mit buntem
Stoff zu verkleiden. Das war rechtschaffene Arbeit und kein Spaß gewesen. Den
Damen Merriwether und Elsing zur Hand zu gehen, war niemals ein Spaß, sie
sprangen mit ihr um, als wäre sie eine Schwarze. Dazu mußte sie auch noch mit
anhören, wie sie mit der Beliebtheit ihrer Töchter prahlten. Was aber das
Schlimmste war, sie hatte sich, als sie Pittypat und Cookie bei den
Schichttorten für die Tombola half, zwei Blasen in die Finger gebrannt. Sie
hatte gearbeitet wie eine Magd und sollte sich jetzt, wo das Vergnügen anfangen
sollte, zurückziehen. Ach, es war hart, daß sie einen toten Mann und ein Kind
hatte und von allem Schönen ausgeschlossen war! Noch vor einem Jahre hatte sie
getanzt und statt der dunklen Trauer bunte Kleider getragen und war mit drei
Burschen so gut wie verlobt gewesen.
Sie war
siebzehn Jahre alt, und ihre Füße warteten noch auf viele ungetanzte Tänze. Das
Leben ging in grauen Uniformen, mit Sporengeklirr, in geblümten Organdykleidem
und mit Banjoklang an ihr vorüber. Beim lächelnden Grüßen war es ihr nicht
leicht, ihre Grübchen in Zucht zu halten und immer noch so auszusehen, als läge
ihr Herz im Grabe. Jäh hörte sie auf zu grüßen und zu winken, als Pittypat ins
Zimmer stürzte und sie vom Fenster wegriß. »Kindchen, hast du den Kopf denn
ganz und gar verloren, daß du Männer vom Schlafzimmerfenster aus grüßt? Ich bin
entsetzt, Scarlett; was würde deine Mutter dazu sagen?«
»Sie
wissen doch nicht, daß es mein Schlafzimmer ist.«
»Aber sie
könnten es denken, und das ist ebenso schlimm. Alle werden nun über dich reden,
und jedenfalls weiß Mrs. Merriwether, daß es dein Schlafzimmer ist!«
»Und nun
erzählt die alte Katze das überall herum?«
»Kindchen,
Dolly Merriwether ist meine beste Freundin!«
»Meinetwegen,
aber eine alte Katze ist sie trotzdem - ach, es tut mir ja leid, Tantchen,
weine nur nicht! Ich habe ganz vergessen, daß es mein Schlafzimmerfenster war.
Ich wollte sie nur vorbeifahren sehen. Ach, ich wollte, ich könnte mitfahren.«
»Um
Himmels willen, Kindchen!«
»Jawohl,
ich habe es satt, zu Hause zu sitzen.«
»Scarlett,
versprich mir, daß du so etwas nicht wieder sagst. Sonst müßten die Leute ja
denken, du ehrtest nicht das Andenken des armen Charlie.«
»Ach,
Tantchen, weine doch nur nicht!«
»Oh, nein
... sieh, nun mußt du auch weinen«, schluchzte Pittypat voller Wohlbehagen und
suchte in der Rocktasche nach ihrem Taschentuch. Auch Scarlett wurde jetzt
überwältigt und verlor alle Fassung. Sie schluchzte laut - nicht um den armen
Charlie, wie Pittypat dachte, sondern weil das Räderrollen und Gelächter nun
verklungen war. Melanie kam aus ihrem Zimmer hereingerasselt, eine Bürste in
der Hand, ihr sonst so ordentliches schwarzes Haar war frei vom Netz und
plusterte ihr in hundert winzigen Wellen und Löckchen ins Gesicht.
»Ihr
Lieben, was ist denn?«
»Charlie!«
jammerte Pittypat, barg den Kopf an Mellys Schulter und gab sich ganz dem Genuß
ihres Kummers hin.
»Ach!«
Mellys Lippen zitterten sogleich, als der Name ihres Bruders fiel. »Sei tapfer,
Liebes, nicht weinen. Ach, Scarlett!«
Scarlett
hatte sich aufs Bett geworfen und schluchzte herzzerreißend um ihre verlorene
Jugend, um die Freuden, die ihr verwehrt wurden, schluchzte empört und
verzweifelt wie ein Kind, das einst mit seinen Tränen alles erreichte und nun
weiß, daß kein Schluchzen mehr hilft. Sie vergrub den Kopf in die Kissen und
weinte und stieß mit den Füßen die mit Quasten behangene Steppdecke weg.
»Ich
könnte ebensogut tot sein!« Vor einem solchen Schmerzensausbruch versiegten
Pittys wohlige Tränen, und Melly stürzte ans Bett, um die Schwägerin zu
trösten.
»Liebes,
nicht weinen! Denke doch,
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