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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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nach
Branntwein und Tabakduft, nach lauten Stimmen und Flüchen, nach Bärten und
Gewehren, nach Jagdhunden, die einem zwischen den Beinen herumliefen. Sie
vermißte den Klang streitender Stimmen, der auf Tara immer zu hören war, sobald
Ellen den Rücken gekehrt hatte. Hier war alles still, jeder fügte sich den
Wünschen der andern, und am Ende hatte stets der schwarze grauhaarige
Selbstherrscher in der Küche seinen Willen. Scarlett hatte, fern von Mammys
Aufsicht, die Zügel lockerer zu Enden gehofft. Zu ihrem Leidwesen mußte sie
aber feststellen, daß Onkel Peters Ansichten über vornehmes Betragen, besonders
wo es sich um Master Charles' Witwe handelte, noch strenger waren als Mammys.
    Scarlett
war erst siebzehn Jahre und von prachtvoller Gesundheit und Lebenskraft, und
Charles' Familie tat das Menschenmögliche, um sie glücklich zu machen. Wenn es
nicht ganz gelang, so war das nicht ihre Schuld, denn niemand konnte die Wunde
in ihrem Herzen heilen, die zu schmerzen begann, sobald Ashleys Name genannt
wurde. Und Melanie nannte ihn so oft! Aber Melanie und Pitty waren unermüdlich,
immer neue Linderungsmittel für den Kummer herauszufinden, mit dem sie sich
nach ihrer Meinung herumquälte. Sie taten alles, um sie zu zerstreuen. Sie
nahmen es peinlich genau mit ihrer Ernährung, mit ihrer Ruhe und ihren
Spazierfahrten. Sie bewunderten nicht nur über die Maßen Scarletts Temperament,
ihren schlanken Wuchs, ihre zierlichen Hände und Füße, ihre weiße Haut, sondern
sagten es ihr auch oft und streichelten und umschmeichelten und küßten sie
immer aufs neue. An Liebkosungen lag Scarlett nichts, aber sie sonnte sich in
den Schmeicheleien. Auf Tara hatte ihr niemand so viel Schmeichelhaftes gesagt;
im Gegenteil, Mammy hatte ihre Tage damit verbracht, an ihr herumzumäkeln. Der
kleine Wade war ihr keine Last mehr. Die Familie und alles, was an Schwarzen
und Weißen dazugehörte, auch alle Nachbarn, vergötterten ihn, und es war eine
unaufhörliche Eifersüchtelei im Gange, wem er gerade auf dem Schoß sitzen
durfte. Besonders Melanie war in ihn vernarrt. Noch wenn er am
durchdringendsten kreischte, fand Melanie ihn himmlisch und schmachtete:
>Ach, du süßer Liebling! Wärst du doch mein!<
    Manchmal
fiel es Scarlett schwer, ihre wahren Gefühle zu verbergen. Tante Pitty war ihr
noch immer die albernste unter allen alten Damen. Ihre Fahrigkeit und ihre
Grillen fielen ihr unerträglich auf die Nerven. Scarletts eifersüchtige
Abneigung gegen Melanie wuchs mit jedem Tag, und manchmal mußte sie
unvermittelt das Zimmer verlassen, wenn Melanie strahlend von Ashley sprach und
aus seinen Briefen vorlas. Aber es lebte sich hier doch so glücklich, wie es
unter den Umständen nur möglich war. Atlanta bot ihr so viel neuartige
Ablenkung, daß ihr zum Denken und Trauern wenig Zeit blieb. Nur manchmal, des
Abends, wenn sie das Licht ausgeblasen hatte, seufzte sie, den Kopf im Kissen
vergraben: »Wäre Ashley doch nicht verheiratet! Wenn ich nur nicht in diesem
schrecklichen Lazarett zu pflegen brauchte! Was gäbe ich nicht um ein paar
Verehrer!«
    Der
Krankendienst war ihr vom ersten Tag an abscheulich, aber sie konnte sich der
Pflicht nicht entziehen, weil sie sowohl in Mrs. Meades wie in Mrs.
Merriwethers Komitee saß.
    Viermal in
der Woche hatte sie, vom Hals bis zu den Füßen in einer viel zu warmen Schürze
steckend und ein Tuch fest um den Kopf gebunden, den ganzen Vormittag in dem stickigen
Lazarett Dienst. Jede Frau in Atlanta, ob alt oder jung, pflegte mit einer
Begeisterung, die in Scarletts Augen an Fanatismus grenzte. Ihnen allen war es
selbstverständlich, daß auch sie von glühendem Patriotismus erfüllt sei; hätten
sie gewußt, wie wenig inneren Anteil sie am Kriege nahm, sie wären empört
gewesen. Das einzige, was Scarlett beschäftigte, war die ununterbrochene
Seelenangst, Ashley könnte fallen.
    Romantisch
war die Tätigkeit der Krankenschwestern durchaus nicht. Stöhnen, Delirium, Tod
und Gestank! Das Lazarett war übervoll von verschmutzten, bärtigen Männern
voller Ungeziefer, die abstoßend rochen und so scheußliche Verletzungen am
Körper hatten, daß einem Christenmenschen wohl übel davon werden konnte. Der
Geruch der brandigen Wunden schlug ihr schon weit vor der Tür in die Nase, ein
ekler süßlicher Gestank, der ihr am Haar und an den Händen haftenblieb. Über
den Patienten summten Schwärme von Fliegen, Moskitos und Mücken und quälten
sie, daß sie fluchten oder matt aufschluchzten.

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