Margaret Mitchell
dieser Blockadebrecher ... wie heißt er doch noch?«
»Kapitän
Butler«, half Mrs. Elsing nach.
»Ich wollte,
er brächte mehr Lazarettbedarf und weniger Reifröcke und Spitzen herein. Wo ich
auch heute ein Kleid bewundern mußte, und es waren mindestens zwanzig, alle
hatte er durch die Blockade geschmuggelt. Kapitän Butler ... ich mag den Namen
nicht mehr hören. Also, Pitty, wir haben keine Zeit, länger zu reden, du mußt
kommen. Im hinteren Raum sieht dich niemand, und Melly fällt ohnehin nicht auf.
Die Bude liegt ganz am Ende und ist nicht sehr hübsch. Da bemerkt euch
niemand.«
»Ich
finde, wir sollten hingehen«, mischte sich Scarlett ein und versuchte, so
harmlos wie irgend möglich auszusehen. »Es ist das mindeste, was wir für das
Lazarett tun können.«
Keine der
Besucherinnen war auch nur auf den Gedanken gekommen, eine Frau, die kaum ein
Jahr Witwe war, bei dieser gesellschaftlichen Veranstaltung um ihre Mitwirkung
zu bitten. Sie sahen sie scharf und erstaunt an; mit großen Kinderaugen hielt
Scarlett ihren Blick aus. »Ich finde, jeder hat die Pflicht, das Seine zu tun.
Melly und ich könnten doch vielleicht zusammen diese Bude übernehmen, denn ...
macht es nicht auch einen besseren Eindruck, wenn wir zu zweien da sind, als
eine allein? Was meinst du, Melly?«
»Gott,
ja«, stammelte Melly hilflos. Der Gedanke, auf einer gesellschaftlichen
Veranstaltung öffentlich zu erscheinen, während sie in Trauer waren, schien ihr
so unerhört, daß sie damit nicht zurechtkommen konnte.
»Scarlett
hat recht«, sagte Mrs. Merriwether. Sie stand auf und schüttelte den Reifrock
zurecht »Ihr beide ... ihr alle müßt kommen. Nein, Pitty, fang nicht wieder mit
Entschuldigungen an. Bedenk doch nur, wie dringend das Lazarett Geld braucht!
Und wie lieb wäre es Charlie, wenn ihr der heiligen Sache helfen würdet, für
die er starb!«
Pittypat
war einer stärkeren Persönlichkeit gegenüber immer hilflos. »Wenn ihr meint,
daß die Leute es richtig verstehen ... «
»Es ist zu
schön, um wahr zu sein! Es ist zu schön, um wahr zu sein!« jubelte Scarletts
Herz, als sie unauffällig in die rosa und gelb verhängte Bude schlüpfte, die
eigentlich den McLureschen Mädchen gehörte. Sie war auf einer
Gesellschaft! Nach einjähriger Abgeschiedenheit in Trauerkleidern und
mit gedämpften Stimmen, nach einer Langeweile, die sie schier verrückt gemacht
hatte, war sie nun wirklich auf einer Gesellschaft, der größten, die Atlanta je
erlebt hatte. Sie konnte wieder Leute sprechen, durfte Lichter sehen und mit
eigenen Augen die entzückenden Spitzen, Kleider und Rüschen betrachten, die der
berühmte Kapitän Butler auf seiner letzten Fahrt durch die Blockade geschmuggelt
hatte.
Sie sank
auf einen der kleinen Hocker hinter der Auslage der Bude und blickte den langen
Saal entlang, der noch vor kurzem ein kahler Exerzierraum gewesen war. Wie
mußten die Damen heute noch gearbeitet haben, um ihn schön zu machen! Jeder
Leuchter und jede Kerze aus ganz Atlanta schienen heute abend hier aufgestellt
zu sein. Silberne Leuchter mit einem Dutzend gespreizter Arme,
Porzellankandelaber mit zierlichen Figürchen am Fuße, hohe würdige
Messingleuchter, alle mit Kerzen von jeder Größe und Farbe versehen, waren auf
den Gewehrständern, an den Wänden, auf den langen blumengeschmückten Tischen
und sogar vor den offenen Fenstern aufgestellt, durch die die warme Sommerluft
gerade kräftig genug hereinwehte, um die Flämmchen ins Flackern zu bringen. Die
häßliche Riesenlampe, die in der Mitte der Halle an rostigen Ketten von der
Decke herabhing, war mit Efeu und Weinlaub, das in der Hitze schon schlaff
wurde, völlig verkleidet worden. Die Wände waren ebenfalls über und über mit
würzig duftenden Kiefernzweigen bedeckt, in den Ecken hatte man hübsche Lauben
für die alten Damen entstehen lassen. Um die Fensterrahmen und die bunten Buden
schlangen sich zierliche Laubgewinde, und inmitten des Grüns prangten überall
auf Flaggen und Fahnentüchern die hellen Sterne der Konföderierten auf ihrem
rotblauen Hintergrund. Besonders kunstvoll war das erhöhte Podium für die Musik
geschmückt: alle Topfund Kübelpflanzen der Stadt waren hier zusammengetragen
worden, Geranien, Hortensien, Oleander, Begonien und sogar Mrs. Elsings
ängstlich gehütete Gummibäume, die als Ehrenposten an den vier Ecken
aufgestellt waren.
Am anderen
Ende des Saales, dem Podium gegenüber, hingen große Bildnisse von
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