MargeritenEngel (German Edition)
Knutschfleck«, flüstert er mir ins Ohr. »Ich beeile mich auch.«
Die Tür fällt ins Schloss und Kevin ist weg.
Ich bleibe allein zurück, spüre, wie meine Knie nachgeben, und lasse mich auf den Stuhl fallen. Den Schmerz, der sofort heftig durch meinen Körper fährt, ignoriere ich. Er ist nicht heftiger als die Wut in mir.
Kapitel 3
Eine fast perfekte Beziehung
Vorsichtig balanciere ich meine Lieblingstasse, gefüllt mit leckerem Schokocappuccino, Richtung Wohnzimmer. Die Keksdose habe ich mir unter den Arm geklemmt. Ich biege zu früh ab und stoße mit dem kleinen Zeh gegen den Schrank. Ich ächze vor Schmerz, schaffe es aber, meine Tasse gerade zu halten. Nur ein wenig Schaum läuft außen am Rand entlang.
Ich habe den Fußboden erst vor einer halben Stunde gewischt. Der Flur war der letzte Raum meiner Aufräum- und Putzaktion. Genau so hatte ich mir einen freien Samstag vorgestellt!
Im Wohnzimmer stelle ich alles auf den Tisch, lasse mich aufs Sofa fallen und reibe meinen Zeh. Mein Blick wandert automatisch zu der alten Kuckucksuhr, die Kevin irgendwann mal mit nach Hause gebracht hat. Tagelang hat er sich mit nichts anderem beschäftigt. Am Ende hat sie tatsächlich wieder funktioniert. Wobei sie nicht im eigentlichen Sinne funktioniert.
Nachdem Kevin sie in sämtliche Einzelteile zerlegt hat, laut fluchend auf dem Boden herumgekrochen ist, weil ein paar von diesen winzig kleinen Rädchen vom Tisch gerollt waren, hat er das mechanische Uhrwerk durch ein elektrisches ersetzt. Deshalb schaut dieser grässliche Kuckuck unentwegt aus seinem Häuschen. Aber wenigstens hält er den Schnabel. Auch das Ticken ist leise und einigermaßen erträglich. An den Anblick habe ich mich mittlerweile gewöhnt.
Kevin ist seit über vier Stunden weg. Langsam könnte er nach Hause kommen. Die Wohnung ist ordentlich. Er muss sich nicht mehr meine wilden Flüche anhören, als ich die Schimmelkulturen, die Kevin anscheinend in den Kochtöpfen züchten wollte, entfernt habe. Das war so widerlich.
Am liebsten hätte ich die Töpfe in den Müll geworfen, anstatt den undefinierbaren Inhalt herauszukratzen und anschließend mit extrem heißem Wasser und einer Unmenge an Spülmittel abzuwaschen. Meine Hände brennen noch ein wenig, sind aber nicht mehr so krebsrot wie beim Abwaschen.
Vier Stunden… Wo treibt sich der Kerl nur herum?
Das Handy auf dem Tisch scheint mich fies anzugrinsen. Es schweigt, aber es führt mich in Versuchung, ihn anzurufen. Doch das will ich nicht. Ich will ihm nicht hinterher telefonieren, auch wenn ich spüre, wie die Eifersucht hochkocht. Niemand muss vier Stunden einkaufen gehen, außer vielleicht wenn man eine Großfamilie zu versorgen hat. Aber wir sind zu zweit, unser Kühlschrank ist voll, weil Kevin so gut wie gar nichts isst.
Was macht er die ganze Zeit, außer sich davor zu drücken, mir zu helfen? Kevin weiß, dass ich nicht gern allein bin. Die Wohnung kommt mir dann so still vor. Ich kann mit niemanden reden, außer mit mir selbst. Dann gehen mir immer so viele unangenehme Dinge im Kopf herum.
Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass wir zusammen sind. Einmal abgesehen davon, dass ich ihn liebe. Da sind so viele Zweifel, ob unsere Beziehung wirklich richtig ist. Sicherlich hat Frau Schumann recht mit dieser Vertrauenssache. Ich versuche es. Ich versuche es wirklich, auch wenn es mir nicht leicht fällt. Es wäre doch für ihn eine Kleinigkeit, kurz anzurufen, zu sagen, dass es länger dauert, weil… weil er… Ich schließe die Augen und verbiete mir jeden weiteren Gedanken darüber, was er gerade machen könnte.
Gegen das flaue Gefühl in meinem Magen nehme ich einen Schluck von meinem Cappuccino und öffne die Keksdose. Der Geruch strömt mir in die Nase und vertreibt die düsteren Hirngespinste. Ich liebe Kekse. Die Dunklen mit der Vanillecreme. Dafür könnte ich sterben. Genießerisch beiße ich von einem Keks ab und passe auf, dass ich die Krümel nicht auf dem Sofa verteile.
»Weißes Mehl und Zucker, schneller kannst du gar nicht fett werden und sterben«, höre ich Kevins Stimme. Kekse und Kuchen isst er nicht. Wenn er sich allerdings nachts am Computer eine 300g-Tafel Schokolade reinzieht, ist das natürlich was Anderes. Leider ist an ihm auch kein Gramm Fett zuviel.
Bei mir ist das anders. Ich habe das Gefühl, jeder Bissen würde sich direkt auf meine Hüfte beziehungsweise meinen Bauch legen. Frustriert greife ich erneut in die Dose. Ein Keks
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