MargeritenEngel (German Edition)
ob ich überhaupt eine Antwort bekomme.
»Wie kommst du denn da drauf?«, antwortet er mit einer Gegenfrage.
Ich zucke mit den Schultern. Eine unheimliche Stille erfüllt den Raum.
»Nein«, sagt er schließlich nach einer Ewigkeit. »Hast du das vielleicht geplant?«
Entsetzt öffne ich den Mund, schließe ihn wieder und schüttle den Kopf.
»Hey, sieh mich nicht so an«, lacht Kevin. »Es war nichts geplant, aber das spielt doch auch keine Rolle. Wir waren besoffen und hatten Spaß, das ist alles, was zählt. Und ehrlich, wenn ich so was planen würde, dann lieber mit zwei passiven Kerlen… Da habe ich mehr von.«
Seine Worte bohren sich wie Nadelspitzen in meine Brust und nehmen mir die Luft zum Atmen.
»Also willst du doch zwei Kerle. Bist du schon auf der Suche?«, flüstere ich nervös.
»Wie bitte? Habe ich etwa behauptet, dass ich auf der Suche bin? Es war eher… also, wenn sich noch einmal so eine Situation ergeben würde, würde ich es vorziehen, der einzige aktive Part zu sein.«
»Warum?«
»Engelchen, was sollen diese nervigen Fragen am frühen Morgen? Glaubst du, nur dein Kopf tut weh? Mein Kater ist nicht kleiner als deiner, bloß weil ich nicht so leidend bin wie du.«
Wenn sich Kevin in die Enge getrieben fühlt, wird er verletzend. Natürlich weiß er genau, wie er mich treffen kann. Die Worte verfehlen ihre Wirkung nicht. Trotzdem muss ich über seine typische Abwehrreaktion grinsen.
»Können wir den vergangenen Abend nicht einfach so lassen, wie er war? Ganz ohne eine sinnlose Diskussion? Man muss doch nicht alles analysieren und kaputt reden«, brummt er.
»Und Rik?«
»Rik? Was soll mit ihm sein? Er sieht das genauso. Wir hatten Spaß miteinander… das ist alles und ändert auch nichts.«
»Okay…«, sage ich gedehnt und erhebe mich. »Ich muss los.«
»Ich werd das Wohnzimmer aufräumen.«
»Das ist echt lieb von dir«, erwidere ich, obwohl ich das erst glaube, wenn ich es sehe. So, wie ich Kevin kenne, werde ich morgen Früh das Wohnzimmer aufräumen.
Ich drücke ihm einen kurzen Kuss auf die Wange.
»Ja, so bin ich…«, ruft er mir hinterher. »Unglaublich lieb. Schön, dass es mal jemand bemerkt.«
»Lieb dich«, rufe ich und reiße die Wohnungstür auf.
»Ist heute wieder das blöde Rumgehopse?«, höre ich ihn noch, bevor ich die Tür ins Schloss fallen lasse, ohne darauf zu antworten. Allerdings schaffe ich es nicht bis zum Auto, bevor mein Handy klingelt.
»Hast du mich nicht gehört?«, fragt er und klingt ein wenig ärgerlich.
»Was meinst du?«, erwidere ich in der gleichen Stimmlage.
»Zumba? Ist das heute? Ach nee, du kannst ja gar nicht, du arbeitest um diese Zeit ja noch.«
»Damit hast du deine Frage schon selbst beantwortet. Sehr gut!«, brumme ich und bin erschrocken über meinen ironischen Tonfall.
»Du musst nicht gleich so bissig werden. Ich kann schließlich nichts für deine dämlichen Schichten«, mault er mich an.
Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Kevin hat recht, er kann nichts dafür. Trotzdem hätte ich Rik gern gesehen.
»Es tut mir leid, aber ich hasse es, wenn du so abwertend bist. Du sagst schließlich immer, dass ich zu fett bin. Jetzt will ich etwas dagegen machen und du nörgelst rum«, fahre ich ihn an.
»Schon gut«, brummt Kevin und verabschiedet sich.
Ich schiebe mein Handy zurück in die Tasche und atme tief durch. Erst jetzt fällt mir auf, wie klar die Luft ist. Die Sonne scheint. Ein sehnsuchtsvolles Gefühl macht sich in mir breit und sorgt dafür, dass es in meinem Bauch zu kribbeln beginnt. Auf einmal habe ich große Lust, mich zu bewegen. Ich gehe zurück und hole mein Fahrrad aus dem Keller. Es ist ziemlich eingestaubt, aber das ist mir egal.
Erst als ich mich auf den Sattel setze, kommen mir Zweifel an der Idee. Mein Hintern protestiert ziemlich heftig. Ich verziehe das Gesicht, aber dann radele ich los. Der Wind weht mir ins Gesicht und pustet die düsteren Gedanken weg. Das Dröhnen in meinem Kopf lässt nach, nur das Stechen in meinem Hintern begleitet mich die ganze Fahrt über.
***
Ich arbeite noch keine halbe Stunde, als ich eine SMS bekomme, in der mir Kevin mitteilt, dass er heute Abend erst spät nach Hause kommen wird. Minutenlang starre ich auf den Text und weiß nicht, was ich antworten soll. Letztendlich tippe ich ein Okay und versuche, das beklemmende Gefühl in meiner Brust zu ignorieren.
Ich kann mich nur schwer konzentrieren. Immer wieder tauchen Bilder der letzten Nacht in
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